31.08.2011, 18:42
Die Frau und ihre Töchter zündeten Kerzen an und stellten sie in die Fensternischen zu Häupten des Leichnams. Dann traten sie in ihr Schlafgemach und ließen Sheen zur Totenwache zurück. Sie saß am Feuer und lies ein Reisigbündel nach dem anderen aufflammen. Sie hatte ihr Körbchen mit Sumpfflaum mitgebracht und begann auf dem Spinnrad der Nachbarin einen Faden zu spinnen.
Sie beendete den Faden und legte ihn sich um den Hals. Dann begann sie nach mehr Kerzen zu suchen, damit sie eine entzünden könnte, sowie eine andere ausginge. Aber kaum stand sie auf, da erloschen alle Kerzen auf einmal. Der Jagdhund zu Füßen des Bettes fuhr auf. Dann sah sie, wie der Leichnam sich von der Stelle, wo er gelegen hatte, steil aufrichtete.
Es war etwas in Sheen, das ihre Furcht überwand, und sie ging hin zu dem Leichnam, und nahm das Salz, das auf seiner Brust lag, und legte es auf seine Lippen. Dann ertönte eine Stimme zwischen den Lippen. „Schöne Jungfrau“, sprach die Stimme, „hast Du den Mut, mir zu folgen? Die anderen versagten und wurden versehrt. Bist Du treu?“ „Ich will Dir folgen“ sprach Sheen. „Dann“ sprach der Leichnam, „lege Deine Hände auf meine Schultern und folge mir nach. Ich muss über den Schwankenden Sumpf und durch den Brennenden Wald und über das eisige Meer.“ Sheen legte ihre Hände auf seine Schultern. Ein Sturm fuhr daher, und sie wurden durch das Dach des Hauses hinausgefegt. Sie wurden durch die Nacht getragen. Herab kamen sie auf die Erde, und der Tote riss sich von Sheen los. Sie folgte ihm nach und fand ihre Füße auf dem Schwankenden Sumpf. Der Leichnam des Jägerkönigs eilte voraus, und sie wusste, dass sie ihn immer im Auge behalten musste. Er lief schnell. Der Grasboden wich unter ihren Füßen, und sie war in wässrigem Schlamm. Sie kämpfte sich heraus und sprang über eine Pfütze, die unter Heidekraut verborgen war. Die ganze Zeit hatte sie Angst, dass die Gestalt, die so schnell vor ihr herlief, ihr verloren gehen würde. Sie sank und kämpfte und sprang über Pfützen und Moräste. Die ganze Zeit lief das Wesen, das der Leichnam des Jägerkönigs war, vor ihr her.
Dann sah sie Feuer am Himmel, und wusste, dass sie nun zum Brennenden Wald kamen. Die Gestalt vor ihr sprang über einen Graben und lief in den Forst. Auch Sheen sprang hinüber. Brennende Äste fielen quer über ihren Pfad, wie sie dahineilte. Heiße Winde verbrannten ihr Antlitz. Flammen blendeten und Rauch betäubte sie. Aber die Gestalt vor ihr ging geradeaus weiter, und auch Sheen eilte geradeaus weiter.
Der Forst endete auf einer Klippe. Darunter war das Meer. Die Gestalt vor ihr tauchte hinab, und Sheen tauchte ebenfalls. Die Kälte benahm sie bis auf das Mark. Sie dachte, die Kälte würde ihr das Leben aus dem Leibe treiben. Aber sie sah den Kopf eines Schwimmenden vor sich, und sie schwamm weiter.
Und dann waren sie wieder auf trockenem Lande. „Schöne Jungfrau“, sprach der Leichnam des Jägerkönigs, „lege wieder die Hände auf die Schultern.“ Sie legte ihre Hände auf seine Schultern. Ein Sturm kam und fegte sie hinweg. Sie wurden durch das Dach des Hauses der Nachbarsfrau hineingetrieben. Die Kerzendochte flackerten, und es kam wieder Licht darauf. Sie sah den Jagdhund in der Mitte des Zimmers stehen. Sie sah den Leichnam sitzen, wo er gelegen hatte, und die Augen waren nun offen.
„Schöne Jungfrau“, sprach die Stimme des Jägerkönigs, „du hast mich wieder ins Leben zurückgebracht. Ich stehe unter einer Verzauberung. Es lebt eine Hexe im Walde, der ich meine Liebe schenkte. Sie verzauberte mich so, dass die Seele außerhalb meines Körpers war und wegwanderte. Es war meine Seele, der du folgtest. Und die Verzauberung sollte gebrochen sein, wenn ich ein Herz fände, das so treu wäre, dass es meiner Seele über den Schwankenden Sumpf, durch den Brennenden Forst und über die Eisige See folgte. Du hast mir meine Seele und mein Leben wiedergeschenkt.“ –Dann rannte sie aus dem Haus der Nachbarin.
Auszug aus: „Der Königssohn von Irland“ Padraic Colum, eine Nacherzählung einer iberokeltischen Geschichte und außerdem ein klassisches Beispiel für schamanisches Reisen
Sie beendete den Faden und legte ihn sich um den Hals. Dann begann sie nach mehr Kerzen zu suchen, damit sie eine entzünden könnte, sowie eine andere ausginge. Aber kaum stand sie auf, da erloschen alle Kerzen auf einmal. Der Jagdhund zu Füßen des Bettes fuhr auf. Dann sah sie, wie der Leichnam sich von der Stelle, wo er gelegen hatte, steil aufrichtete.
Es war etwas in Sheen, das ihre Furcht überwand, und sie ging hin zu dem Leichnam, und nahm das Salz, das auf seiner Brust lag, und legte es auf seine Lippen. Dann ertönte eine Stimme zwischen den Lippen. „Schöne Jungfrau“, sprach die Stimme, „hast Du den Mut, mir zu folgen? Die anderen versagten und wurden versehrt. Bist Du treu?“ „Ich will Dir folgen“ sprach Sheen. „Dann“ sprach der Leichnam, „lege Deine Hände auf meine Schultern und folge mir nach. Ich muss über den Schwankenden Sumpf und durch den Brennenden Wald und über das eisige Meer.“ Sheen legte ihre Hände auf seine Schultern. Ein Sturm fuhr daher, und sie wurden durch das Dach des Hauses hinausgefegt. Sie wurden durch die Nacht getragen. Herab kamen sie auf die Erde, und der Tote riss sich von Sheen los. Sie folgte ihm nach und fand ihre Füße auf dem Schwankenden Sumpf. Der Leichnam des Jägerkönigs eilte voraus, und sie wusste, dass sie ihn immer im Auge behalten musste. Er lief schnell. Der Grasboden wich unter ihren Füßen, und sie war in wässrigem Schlamm. Sie kämpfte sich heraus und sprang über eine Pfütze, die unter Heidekraut verborgen war. Die ganze Zeit hatte sie Angst, dass die Gestalt, die so schnell vor ihr herlief, ihr verloren gehen würde. Sie sank und kämpfte und sprang über Pfützen und Moräste. Die ganze Zeit lief das Wesen, das der Leichnam des Jägerkönigs war, vor ihr her.
Dann sah sie Feuer am Himmel, und wusste, dass sie nun zum Brennenden Wald kamen. Die Gestalt vor ihr sprang über einen Graben und lief in den Forst. Auch Sheen sprang hinüber. Brennende Äste fielen quer über ihren Pfad, wie sie dahineilte. Heiße Winde verbrannten ihr Antlitz. Flammen blendeten und Rauch betäubte sie. Aber die Gestalt vor ihr ging geradeaus weiter, und auch Sheen eilte geradeaus weiter.
Der Forst endete auf einer Klippe. Darunter war das Meer. Die Gestalt vor ihr tauchte hinab, und Sheen tauchte ebenfalls. Die Kälte benahm sie bis auf das Mark. Sie dachte, die Kälte würde ihr das Leben aus dem Leibe treiben. Aber sie sah den Kopf eines Schwimmenden vor sich, und sie schwamm weiter.
Und dann waren sie wieder auf trockenem Lande. „Schöne Jungfrau“, sprach der Leichnam des Jägerkönigs, „lege wieder die Hände auf die Schultern.“ Sie legte ihre Hände auf seine Schultern. Ein Sturm kam und fegte sie hinweg. Sie wurden durch das Dach des Hauses der Nachbarsfrau hineingetrieben. Die Kerzendochte flackerten, und es kam wieder Licht darauf. Sie sah den Jagdhund in der Mitte des Zimmers stehen. Sie sah den Leichnam sitzen, wo er gelegen hatte, und die Augen waren nun offen.
„Schöne Jungfrau“, sprach die Stimme des Jägerkönigs, „du hast mich wieder ins Leben zurückgebracht. Ich stehe unter einer Verzauberung. Es lebt eine Hexe im Walde, der ich meine Liebe schenkte. Sie verzauberte mich so, dass die Seele außerhalb meines Körpers war und wegwanderte. Es war meine Seele, der du folgtest. Und die Verzauberung sollte gebrochen sein, wenn ich ein Herz fände, das so treu wäre, dass es meiner Seele über den Schwankenden Sumpf, durch den Brennenden Forst und über die Eisige See folgte. Du hast mir meine Seele und mein Leben wiedergeschenkt.“ –Dann rannte sie aus dem Haus der Nachbarin.
Auszug aus: „Der Königssohn von Irland“ Padraic Colum, eine Nacherzählung einer iberokeltischen Geschichte und außerdem ein klassisches Beispiel für schamanisches Reisen