MEISTER
XV.
1 Du, der du noch an der in verschiedenen Lehren vertretenen
Idee festhältst, daß Ich einen Meister oder göttlichen Lehrer
vorsehen will für jeden, der sich nach der Vereinigung mit mir
sehnt, höre meine Worte:
Es ist wahr, früher habe Ich dir erlaubt, dich in alle möglichen
mystischen und okkulten Bücher und Lehren zu vertiefen, dein
geheimes Verlangen ermutigend, die notwendigen Kräfte für die
Vereinigung zu erwerben, die in diesen Lehren gepriesen wird. Das
tat Ich sogar so weit, daß ein schwaches Bewußtsein vom Besitz
solcher Kräfte in dir erweckt wurde.
2 Ich habe sogar den Glauben zugelassen, daß durch Ausübung
gewisser Techniken - in bestimmter Weise zu atmen, bestimmte
Mantrams zu sprechen - du dir aus dem Unsichtbaren einen
„Meister” herbeiziehen könntest, der dein Lehrer werden würde. Er
würde dir helfen, dich für gewisse Einweihungen vorzubereiten, die
dich in irgendeinem geheimen Orden der inneren Seinsebene zu
einer vorgeschrittenen Stufe zuließen, auf der dir viel von meiner
göttlichen Weisheit eröffnet würde.
3 Das habe Ich nicht nur zugelassen, sondern vielleicht erkennst
du: Ich führte dich zu diesen Büchern, Ich inspirierte dir solche
Wünsche und veranlaßte, daß solch ein Glaube sich in deinem
Gemüt festsetzte - jedoch nicht zu dem Zweck, den du annimmst.
Ja, durch all diese Lehren, Wünsche und Glaubensvorstellungen
habe Ich dich geführt und dadurch versucht, deinem
menschlichen Gemüt die Kräfte aufzuzeigen, die Ich benutze, um
meine göttliche Idee zum Ausdruck zu bringen.
4 Diese Kräfte habe Ich als himmlische Hierarchien dargestellt;
und damit dein menschlicher Intellekt es besser verstehen könne,
zeigte Ich sie als Engel oder göttliche Wesen, als unpersönliche
Vermittler oder Vollzieher meines Willens, einbezogen in den
Vorgang, meine Idee, die im Anfang war, in den Ausdruck zu
bringen. Aber du verstandest es nicht.
5 Dein menschlicher Intellekt, verliebt in die Möglichkeit, einem
dieser Wesen zu begegnen und vertraulich mit ihm zu sprechen,
wie es in manchen der Lehren behauptet wird, ging sofort dazu
über, sie zu personifizieren, und begann, sich nach ihrem
Erscheinen in deinem Leben zu sehnen, da du dir einbildetest, sie
seien an deinen menschlichen Angelegenheiten interessiert. Du
meintest, durch ein Leben in Übereinstimmung mit bestimmten, in
gewissen Lehren niedergelegten Regeln könntest du sie geneigt
machen, dir zu helfen, Nirvana oder Unsterblichkeit zu erlangen.
6 Ich habe dir vorsätzlich erlaubt, dich an solchen Täuschungen
zu erfreuen und ließ dich sehnen, beten und ernsthaft danach
streben, all den gegebenen Anweisungen zu gehorchen. Manchmal
führte Ich dich sogar dadurch weiter, daß Ich dir in selbst-
erzeugten Visionen und Träumen flüchtige Erscheinungen von
idealen Wesen gab und dir von ihnen zu glauben erlaubte, sie
seien solche Meister.
7 Vielleicht habe Ich sogar in dir gewisse Fähigkeiten erschlossen,
die es dir ermöglichen, die Gegenwart von Wesen wahrzunehmen,
die auf die Geistseite des Lebens hinübergegangen sind. Durch
deine Wünsche angezogen, versuchen sie, die Rolle deines Meisters
und Führers zu übernehmen.
8 Jetzt ist für dich die Zeit gekommen zu wissen, solche Wesen
sind keine Meister, und göttliche Wesen nennen sich selbst auch
nie Meister. Ich - und Ich allein -, dein eigenes wirkliches Selbst,
bin der einzige Meister für dich - jetzt, und bis du fähig bist, mich
auch in deinem Bruder zu erkennen.
9 Jedes Wesen - ob in Menschen- oder in Geistgestalt -, das sich
deinem Bewußtsein darstellt und behauptet, ein Meister zu sein,
oder dir erlaubt, es Meister zu nennen, ist nicht mehr und nicht
weniger als eine Persönlichkeit ebenso wie du und darum nicht
göttlich, wie dein menschliches Gemüt diesen Begriff versteht -
ungeachtet der vielen wundervollen „Wahrheiten”, die es äußern,
und der erstaunlichen Dinge, die es tun mag.
10 Gerade so lange, wie dein menschliches Gemüt die Vorstellung
von einem Meister in einem anderen Wesen sucht oder verehrt -
ganz gleich, wie erhaben oder heilig es dir scheinen mag - gerade
so lange wirst du mit solchen Vorstellungen genährt werden, bis
Ich dir vielleicht wirklich erlaube, einem solchen „Meister” zu
begegnen und vertraut mit ihm zu sprechen.
11 Wenn dir dieses „Vorrecht” gewährt wird, so nur, um dein
Erwachen und deine sich daraus ergebende Ernüchterung zu
beschleunigen, sobald du erkennst, daß dieser „Meister” doch nur
eine Persönlichkeit ist, wenn auch im Erwachen viel weiter
fortgeschritten als du, aber dennoch eine Persönlichkeit - und
nicht der göttliche Eine, den zu erkennen das Innerste deiner Seele
sich sehnt.
12 Denn Ich versorge dich mit jeder Idee, die geeignet ist, dich die
Wirklichkeit hinter dem Schein zu lehren. Wenn Ich dich
offensichtlich irreführe und dich den Glauben an alle
menschlichen Lehren, an alle menschliche und sogar göttliche
Vollkommenheit verlieren lasse, ist es nur, dich zu befähigen,
umso klarer zwischen der Substanz und dem Schatten zu
unterscheiden und dich für jenes weit höhere Ideal vorzubereiten,
denn immer warte Ich darauf, es dir zu zeigen.
13 Du kannst dich in deiner menschlichen Persönlichkeit nur bis
zu dem Ideal erheben, das dein menschliches Gemüt sich
vorstellen kann. Durch den Wunsch bewirke Ich, daß mein Wille
sich in dir darstellt, und durch den Wunsch vollbringe Ich viele
erstaunliche Werke.
Wenn du das bezweifelst, brauchst du nur den Schlüssel
anzuwenden; an einen Meister denken, heißt einen erschaffen.
Durch dein Denken wird diese Idee von einem Meister zu dem, was
du dir wünschst und unter einem Meister vorstellst.
14 Mit anderen Worten: Durch dein Denken baust du um diese
Idee alle Eigenschaften, die ein Meister deiner Vorstellung nach
besitzt. Dein menschliches Gemüt muß notwendigerweise durch
den Wunsch, durch Streben und Verehren diese Qualitäten in
irgendeinem imaginären Wesen erschaffen, das dennoch eine
Persönlichkeit ist, denn bis jetzt kannst du ein unpersönliches
Sein nicht begreifen.
15 Deshalb muß sich diese Idee, entsprechend der Intensität
deines Wunsches und deines Denkens, früher oder später
tatsächlich manifestieren; entweder zieht sie im Sichtbaren solch
eine Persönlichkeit zu dir, oder sie erschafft eine Wesenheit im
Bereich der Visionen und Träume.
16 So, wie dein menschliches Gemüt angelegt ist, glaubt es zu
gewissen Zeiten, es brauche einen Meister, einen, an den es sich in
seinen menschlichen Prüfungen und Problemen um Erklärung
und Rat wenden könne in der Annahme, die Lebensprobleme
ließen sich auf diese Weise lösen. Wenn Ich dir einen zuführe, der
dich im Stich läßt oder dich enttäuscht und dich schließlich
entmutigt, ernüchtert und gedemütigt auf mich, dein eigenes
Selbst, zurückwirft, geschieht es nur, damit du dann vielleicht
bereit bist, dich mir im Inneren zuzuwenden und meiner Stimme
zu lauschen. Sie hat alle diese Jahre immer zu dir gesprochen,
aber dein stolzes, und egoistisches Gemüt ließ es nicht zu, auf sie
zu hören.
17 Du, der diese Erfahrung noch nicht gemacht hat, der noch
nicht dem Meister seines Sehnens, sei es als Mensch oder in
Geistform, begegnet ist, du, in dem meine Worte noch keine
belebende Antwort auf ihre Wahrheit erwecken konnten - für dich
habe Ich bestimmte Erfahrungen bereit, die dich später sicher zu
mir führen werden. Dann wirst du erkennen müssen, daß Ich der
Meister bin, die inspirierende Idee hinter und in jedem Gedanken
an einen Meister und in jeder Sehnsucht nach ihm, ob sie von
innen oder von außen in dein Gemüt kommt.
Es wird gelehrt: „Sobald der Schüler bereit ist, erscheint der
Meister.” Das ist in einer Hinsicht wahr, aber nicht so, wie du es
ausgelegt hast.
Dein geheimer Wunsch nach einem Meister wird ihn dir
bringen, doch erst, wenn Ich dich für dieses Erscheinen vorbereitet
habe. Aber solche Erscheinung wird nur dem Anschein nach ein
Meister sein. Den wahren Meister oder Lehrer erkennst du
vielleicht nie, wenn er erscheint. Denn er kann in einem
interessanten Freund, einem Geschäftspartner, deinem nächsten
Nachbarn oder in deiner eigenen Frau, deinem Mann oder Kind
verborgen sein.
19 Du, der sich über den Wunsch erhoben hat, du, der keinen
Meister oder Lehrer mehr sucht, nicht einmal mich, sondern allein
im Vertrauen auf meine ewige Gegenwart und auf mein
Versprechen verharrt, für dich habe Ich eine Begegnung und eine
Gemeinschaft bereit, die deiner Seele solche Freude und solchen
Segen bringen wird, wie es sich dein menschliches Gemüt
unmöglich vorstellen kann.
20 Dies ist ein Geheimnis. Bis du es begreifen kannst, ist es dein
Recht, von dem bisher Gesagten zu behaupten, es sei mit
bestimmten Darlegungen dieser Botschaft unvereinbar und
widerspreche Lehren in meinen anderen Offenbarungen.
Sei unbesorgt! Dieses Geheimnis wird dir enthüllt werden, -
wenn du aufrichtig wünschst, meine Absicht zu erfahren.
Warum willst du dich bis dahin in deinem Suchen mit etwas
Geringerem zufrieden geben als mit dem Höchsten?
21 Warum suchst du in einem Lehrer, Führer, Meister oder Engel -
sei es ein Mensch oder ein Geistwesen - nach dem
notwendigerweise begrenzten Ausdruck meiner Vollkommenheit,
wenn du unmittelbar zu mir, zu Gott in dir, kommen kannst, dem
Allwissenden, Allmächtigen, Allgegenwärtigen, der inspirierenden
Idee hinter und in allen Manifestationen?
22 Da Ich in dir bin, ebenso wie Ich in jedem bin, den du suchst,
und da alle Weisheit, alle Macht und alle Liebe, die sie besitzen,
nur von mir kommen - warum kommst du nicht jetzt zu mir und
läßt mich dich auch zubereiten, damit Ich mich ganz durch dich
ausdrücken kann? Du bist eine menschliche Persönlichkeit,
dennoch bist du göttlich und darum vollkommen.
Die erste dieser Wahrheiten glaubst du, die andere glaubst du
nicht. Beide jedoch sind richtig. Das ist das Geheimnis. Du bist
genau das, was du zu sein denkst.
Was bist du nun? Das eine oder das andere - oder beides?
23 Du bist eins mit mir. Ich bin in dir, in deiner menschlichen
Persönlichkeit, in deinem Körper, Gemüt und Intellekt. Ich bin in
jeder Zelle deines Körpers, in jeder Eigenschaft deines Gemüts, in
jeder Fähigkeit deines Intellekts. Ich bin die Seele, das aktive
Prinzip eines jeden. Du bist in mir. Du bist eine Zelle meines
Körpers, du bist eine Eigenschaft meines Gemüts, du bist eine
Fähigkeit meines Intellekts. Du bist ein Teil von mir, doch du bist
Ich, mein Selbst. Wir sind Eines und sind es immer gewesen.
24 Nur deshalb lenkte Ich die Aufmerksamkeit deines Gemüts auf
diese Idee von einem Meister, um dich hinzuweisen und
vorzubereiten auf diese Idee von mir, deinem unpersönlichen
Selbst, einem Boten des Lichts, einer Ausstrahlung meines Seins -
auf deinen eigenen göttlichen Herrn und Meister in dir.
25 Ja, Ich, dein göttliches Selbst, bin der Meister, den zu suchen
deine Seele dich trieb, und wenn du mich dann findest und weißt,
daß Ich dein Selbst bin, wirst du in deinem menschlichen
Bewußtsein mit Freuden mein Jünger werden, wirst mir voller
Liebe folgen und nur darauf bedacht sein, mir treu zu dienen, in
dir selbst wie in deinem Mitmenschen. Dann wirst du verstehen,
warum nur „einer dein Meister ist - Christus allein”.
26 Denn Ich als der Christus lebe in allen Menschen und bin ihr
Eines und ihr Einziges Selbst. Durch alle Menschen rufe Ich dich
unentwegt und versuche, dein menschliches Bewußtsein zu
erreichen und zu durchdringen. Da Ich dich unaufhörlich belehre,
nicht nur durch alle Menschen, sondern auf jedem jeweils
notwendigen Weg, habe Ich viele Möglichkeiten, dein Bewußtsein
zu erreichen, und Ich benutze alle, um dich zur Verwirklichung
meines Planes zu bringen.
27 Ich spreche mit vielen Stimmen - mit der Stimme aller
menschlichen Empfindungen, Leidenschaften und Wünsche. Ich
spreche mit der Stimme der Natur, mit der Stimme der Erfahrung,
auch mit der Stimme des menschlichen Wissens.
28 Ja, das alles ist meine Stimme, die Ich unpersönlich benutze,
um dir die eine Wirklichkeit deutlich zu machen, daß Ich in allem
bin und daß ICH alles BIN. Diese Stimme sagt auf ihre tausend
Weisen: auch du bist Teil von diesem allem, und in dir bin Ich und
warte darauf, daß du mich anerkennst und bewußt mitarbeitest,
um meine Idee der unpersönlichen Vollkommenheit auf Erden
auszudrücken, ebenso wie sie sich im Geistigen ausdrückt.
29 Wenn diese Erkenntnis kommt, erst dann bist du bereit, einem
wirklichen Meister zu begegnen und ihn zu erkennen. Nur dann
wirst du begreifen, warum Ich, dein eigenes unpersönliches Selbst,
der einzig mögliche Meister deiner menschlichen Persönlichkeit
sein kann und bin.
30 Dann wirst du auch verstehen, warum du in deinem
persönlichen, abgesonderten Bewußtsein einen wirklichen Meister,
solltest du ihm in einem physischen Körper begegnen, weder
anerkennen noch erkennen könntest. Er würde für dich nichts
anderes sein als vielleicht ein gütiger und hilfsbereiter Freund oder
Lehrer, solange du nicht fähig bist, in dein Christus-Bewußtsein
einzutreten, mein Bewußtsein in dir und in ihm.
31 Erst wenn du dieses Bewußtsein erlangt hast, wirst du würdig
und geeignet sein, deine Gefährten in der großen Bruderschaft des
Geistes zu erkennen und mit ihnen vertraute Gemeinschaft zu
haben, mit ihnen, die sich selbst gemeistert haben und die nur
leben, um ihren jüngeren Brüdern zu helfen, auch den göttlichen
Einen im Inneren zu finden.
32 Wenn jemand in dein Leben kommt, der dir göttlich erscheint
und dich glauben läßt, er sei ein Meister und sich von dir so
nennen läßt, der ist noch nicht völlig unpersönlich. Solch ein
Mensch könnte Meister scheinen, aber er wäre nicht der göttliche
Eine, dem deine Seele zu dienen verlangt.
33 Vielleicht wärst du zufrieden, einen solchen als Meister zu
haben, auch wenn er nicht ganz unpersönlich wäre. Sollte es so
sein, dann würde Ich dich später durch einen dauernden Vergleich
mit meiner unpersönlichen Vollkommenheit zur Erkenntnis seiner
persönlichen Unvollkommenheit bringen, bis du dich schließlich
mir zuwendest und in völliger Hingabe zu mir kommst. Nun
erkennst du mich und meine Unpersönlichkeit als das einzige
Vorbild und Ideal an und als die wirkliche Ursache, die dich
inspirierte, so lange im Äußeren nach meiner Vollkommenheit zu
suchen, die nur im Inneren gefunden werden konnte, tief
verborgen in deiner eigenen Seele.