Lieber Leopold
Ich habe deine letzten Kommentare zu den verschiedensten Themen aufmerksam gelesen ,und würde gerne zu einigen
Punkten Stellung beziehen . ( Das klingt jetzt kriegerischer als beabsichtigt , zumal mit dir ja nicht zu streiten ist ,
und du ja auch in gewisser Weise Recht hast , aus der Sicht einer höheren Warte betrachtet . ) Ich will dir also gar nicht
widersprechen , sondern bestenfalls erläutern , warum es bei mir einfach nicht gelingen will . Ich werde zu erklären versuchen,
warum ich ab einem gewissen Punkt immer und immer wieder auf diesen inneren Widerstand stosse . Niemand widerspricht
dir , wenn du betonst , dass da kein anderer ist , der für deine Gefühle verantwortlich ist , außer man selbst , und das diese
Gefühle auch die jeweilige Realität gestalten . Doch ist es ein relativ leichtes Unterfangen , dies in seinem privaten Umfeld zu
praktizieren . Dies gelingt umso besser , wenn man nicht in einem Kriegsgebiet lebt , Hunger leiden muss oder sonstwie um sein
Leben besorgt zu sein braucht . Jemand , der das Glück hat in einem wohlgenährten Staat zu leben , muss sich also kaum mit
etwas anderem rumärgern , als mit der eigenen Vergangenheit , den Verwandten oder dem Nachbarn . Während die einen
also einen täglichen Überlebenskampf führen , können wir uns ganz entspannt zurücklehnen und uns mit unserer "Grundstörung"
befassen .Aber ist es richtig oder verantwortungsvoll , wenn wir darüber hinaus vergessen , dass die Welt in Lüge , Gier und Chaos
versinkt ? Natürlich könnte ich mir eine Haltung zulegen , die es mir erlaubt lächelnd , glücklich und selbstzufrieden diesem Treiben
einfach zuzuschauen , wissentlich , dass alles einem göttlichem Plan folgt , und eben jeder sein Ding zu lernen hat . Aber habe ich
hiermit meinen Auftrag schon erfüllt ? Geht es hier einzig und alleine darum , das eigene Seelenheil zu finden ?
Ich denke , dass ich wie jeder andere auch, schon viele Körper bewohnt habe , manche davon vielmehr praktisch als schön , aber
jeder war doch für sich genommen ein Werkzeug . Aber um WAS zu tun ? Um mich zurückzuziehen aus allen weltlichen Angelegenheiten ,
mich rauszuhalten und alles jedem gestatten ? Um alles zuzulassen , gleich wie dekadent es auch sein mag , oder meinem Nächsten
schadet ? Nur noch " Beobachter " sein , aber kein " Kämpfer " ?
Sabine kam mir gottgelobt und unbewußt zur Hilfe . (Danke , liebe Sabine ! ) Mit ihrem Beitrag " Vollkommenheit -Seeligkeit " , wird genau
das beschrieben , was ich empfinde und nicht besser hätte beschreiben können , weil genau hier mein Widerstand wurzelt und begründet
liegt . Es bedeutet für mich , dass mit meinem persönlich gefundenem Lebensglück , das Ende der Fahnenstange noch lange nicht
erreicht ist , sondern mich mit meinem ganzen Sein und erworbenem Wissen in den Dienst des Anderen zu stellen . Es bedeutet auch für
mich , genau hinzusehen was geschieht anstatt wegzuschauen , denn dieses Verhalten hat noch vor wenigen Jahrzehnten Millionen
Menschen das Leben gekostet . Es bedeutet auch für mich die Freiheit , die Würde und die Grundrechte eines jeden zu verteidigen .
Überwachung ist der erste Schritt zum Faschismus , Medienpropaganda ein zweiter , Krieg und/oder Sklaverei und Unterdrückung bilden
nur noch das Schlusslicht . Wir haben uns weit von einer echten Demokratie entfernt , in der das Volk mitbestimmen kann , was es für
richtig oder falsch hält . Die Frage , die ich dir zum Schluss gerne stellen würde ist folgende : Wie weit geht deine Toleranz ? Wo wäre bei
dir ein Punkt erreicht , bei dem du auf die Barrikaden gehen würdest , oder anders ausgedrückt : Bist du bereit , bis zur letzten
Konsequenz alles zuzulassen , auch wenn es das Leben deiner Liebsten beträfe ? Schau genau in dich hinein , denn in Friedenszeiten ist es
ein leichtes unbeschwert zu sein . Wenn du mir darauf antworten könntest , wäre ich wirklich sehr froh , denn diese Frage beschäftigt mich
schon ziemlich lange .
Ich sende dir liebe Grüße und hoffe , du siehst hierin keine Kritik , sondern mein Wunsch , besser verstehen zu können um zu lernen .
Anonymous