03.12.2012, 19:34
Ein Becher voll Maya
Vor langer Zeit lebte in Indien ein Held. Eines Tages begegnete er Vishnu. Sie wanderten zusammen durch das Land, und Vishnu fragte ihn, ob er irgendeinen Wunsch habe, den er ihm erfüllen könne.
„Lehre mich, was Maya bedeutet“, bat der Mann. „Oh nein“, sagte Vishnu, „wünsche dir irgendetwas anderes, nur nicht das.“ „Aber ich möchte von Dir lernen, was Maya bedeutet“, antwortete der Mann. „Du kannst Dir alles wünschen“, sagte Vishnu, „eine schöne, hingebungsvolle Frau, große Reichtümer, Paläste, Gesundheit, ein langes Leben.“ „Ich möchte lernen, was Maya bedeutet“, antwortete der Mann.
„Nun gut“, sagte Vishnu, „wenn das dein Wunsch ist, werde ich ihn erfüllen. Aber hole mir bitte zuerst einen Becher voll Wasser von dem Bauernhaus da drüben, und dann werde ich dich lehren, was Maya bedeutet.“
Der Mann ging zu dem Bauernhaus und klopfte höflich an die Tür. Die Tür wurde von der schönsten Frau geöffnet, die er je gesehen hatte. Sie war nicht nur wunderschön, sie hatte auch tiefe, seelenvolle Augen. Er sah in diese Augen und verliebte sich. In diesem Augenblick wusste er, dass sie sich von früheren Leben her kannten und dass sie füreinander bestimmt waren. Sie wusste es ebenfalls. Sie bat ihn ins Haus und stellte ihn ihrer Familie vor. Ihre Eltern hießen ihn willkommen, als sei er ihr eigener, geliebter Sohn. Als er mit ihnen beisammen saß, fühlte er so tiefen Frieden in sich, dass er wusste, hier war er zu Hause. Er hielt um die Hand des Mädchens an, und die Eltern gaben mit Freuden ihren Segen. Sie schenkten dem Paar ein Stück Land und ein kleines Bauernhaus.
Es dauerte nicht lange, da hatte das Paar Kinder. Erst einen kleinen Jungen, dann ein kleines Mädchen. Ihre Liebe zu den Kindern vertiefte auch ihre Liebe zu einander. Die Felder brachten reiche Ernte. Sie lebten mit den Jahreszeiten und waren mit dem Leben zufrieden und glücklich.
Dann, eines Tages, hörte man schreckliches Donnergrollen aus den Bergen. Der Himmel verdunkelte sich, und die Erde bebte, und eine gewaltige Flut ergoss sich über die Ebene. Der Mann ergriff seine kleine Tochter mit der einen Hand, seine Frau und den Jungen mit der anderen. Sie rannten davon. Die Wassermassen zerstörten zuerst ihre Felder, dann das Haus. Sie liefen so schnell sie konnten, aber das Wasser um sie herum begann zu steigen, und eine plötzliche Flutwelle trennte den Mann von seiner Frau. Er schrie auf und versuchte nach ihr zu greifen, als sie weg gerissen wurde. Dabei verlor er auch das Baby, das er getragen hatte. Er schrie wieder auf, und das Leid zerriss ihm das Herz. Er klagte und weinte, und um ihn herum tobte der Sturm, der sein Haus, seine Liebe und sein Leben zerstört hatte. Er blickte nach unten und sah, wie seine Tränen in das schlammige, tosende Wasser fielen, in dem er stand.
Als die Tränen die Wasseroberfläche berührten, beruhigte sich das Wasser und wurde klar. Er sah auf und erkannte, dass er in einen Becher geweint hatte, den er in der Hand hielt. Er blickte in Vishnus Augen. Vishnu lächelte und sagte mit ruhiger Stimme: „Das ist Maya.“
Quelle: aus dem "Spirituellen Lesebuch" von Margit und Ruediger Dahlke
Vor langer Zeit lebte in Indien ein Held. Eines Tages begegnete er Vishnu. Sie wanderten zusammen durch das Land, und Vishnu fragte ihn, ob er irgendeinen Wunsch habe, den er ihm erfüllen könne.
„Lehre mich, was Maya bedeutet“, bat der Mann. „Oh nein“, sagte Vishnu, „wünsche dir irgendetwas anderes, nur nicht das.“ „Aber ich möchte von Dir lernen, was Maya bedeutet“, antwortete der Mann. „Du kannst Dir alles wünschen“, sagte Vishnu, „eine schöne, hingebungsvolle Frau, große Reichtümer, Paläste, Gesundheit, ein langes Leben.“ „Ich möchte lernen, was Maya bedeutet“, antwortete der Mann.
„Nun gut“, sagte Vishnu, „wenn das dein Wunsch ist, werde ich ihn erfüllen. Aber hole mir bitte zuerst einen Becher voll Wasser von dem Bauernhaus da drüben, und dann werde ich dich lehren, was Maya bedeutet.“
Der Mann ging zu dem Bauernhaus und klopfte höflich an die Tür. Die Tür wurde von der schönsten Frau geöffnet, die er je gesehen hatte. Sie war nicht nur wunderschön, sie hatte auch tiefe, seelenvolle Augen. Er sah in diese Augen und verliebte sich. In diesem Augenblick wusste er, dass sie sich von früheren Leben her kannten und dass sie füreinander bestimmt waren. Sie wusste es ebenfalls. Sie bat ihn ins Haus und stellte ihn ihrer Familie vor. Ihre Eltern hießen ihn willkommen, als sei er ihr eigener, geliebter Sohn. Als er mit ihnen beisammen saß, fühlte er so tiefen Frieden in sich, dass er wusste, hier war er zu Hause. Er hielt um die Hand des Mädchens an, und die Eltern gaben mit Freuden ihren Segen. Sie schenkten dem Paar ein Stück Land und ein kleines Bauernhaus.
Es dauerte nicht lange, da hatte das Paar Kinder. Erst einen kleinen Jungen, dann ein kleines Mädchen. Ihre Liebe zu den Kindern vertiefte auch ihre Liebe zu einander. Die Felder brachten reiche Ernte. Sie lebten mit den Jahreszeiten und waren mit dem Leben zufrieden und glücklich.
Dann, eines Tages, hörte man schreckliches Donnergrollen aus den Bergen. Der Himmel verdunkelte sich, und die Erde bebte, und eine gewaltige Flut ergoss sich über die Ebene. Der Mann ergriff seine kleine Tochter mit der einen Hand, seine Frau und den Jungen mit der anderen. Sie rannten davon. Die Wassermassen zerstörten zuerst ihre Felder, dann das Haus. Sie liefen so schnell sie konnten, aber das Wasser um sie herum begann zu steigen, und eine plötzliche Flutwelle trennte den Mann von seiner Frau. Er schrie auf und versuchte nach ihr zu greifen, als sie weg gerissen wurde. Dabei verlor er auch das Baby, das er getragen hatte. Er schrie wieder auf, und das Leid zerriss ihm das Herz. Er klagte und weinte, und um ihn herum tobte der Sturm, der sein Haus, seine Liebe und sein Leben zerstört hatte. Er blickte nach unten und sah, wie seine Tränen in das schlammige, tosende Wasser fielen, in dem er stand.
Als die Tränen die Wasseroberfläche berührten, beruhigte sich das Wasser und wurde klar. Er sah auf und erkannte, dass er in einen Becher geweint hatte, den er in der Hand hielt. Er blickte in Vishnus Augen. Vishnu lächelte und sagte mit ruhiger Stimme: „Das ist Maya.“
Quelle: aus dem "Spirituellen Lesebuch" von Margit und Ruediger Dahlke