04.01.2014, 23:44
Sokrates beschreibt eine unterirdische, höhlenartige Behausung, von der aus ein breiter Gang zur Erdoberfläche führt. In der Höhle leben Menschen, die von Kind auf ihr ganzes Leben dort als Gefangene verbracht haben. Sie sind sitzend an Schenkeln und Nacken so festgebunden, dass sie immer nur nach vorn auf die Höhlenwand blicken und ihre Köpfe nicht drehen können. Daher können sie den Ausgang, der sich hinter ihren Rücken befindet, nie erblicken und von seiner Existenz nichts wissen. Auch sich selbst und die anderen Gefangenen können sie nicht sehen; das einzige, was sie je zu Gesicht bekommen, ist die Wand. Erhellt wird die Höhle von einem großen, fernen Feuer, das oben auf der Erde brennt und dessen Licht durch den Gang hineinscheint. Die Gefangenen sehen nur das Licht, das die Wand beleuchtet, nicht aber dessen Quelle. Auf der Wand sehen sie ihre Schatten.[1]
Auf der Erdoberfläche befindet sich zwischen dem Höhleneingang und dem Feuer eine kleine Mauer, die nicht so hoch ist, dass sie das Licht des Feuers abschirmt. Längs der Mauer tragen Menschen unterschiedliche Gegenstände hin und her, Nachbildungen menschlicher Gestalten und anderer Lebewesen aus Stein und aus Holz.[2] Diese Gegenstände ragen über die Mauer hinaus, ihre Träger aber nicht. Manche Träger unterhalten sich miteinander, andere schweigen.[3]
Da die bewegten Gegenstände auf die Höhlenwand, der die Gefangenen zugewendet sind, Schatten werfen, können die Höhlenbewohner die bewegten Formen schattenhaft wahrnehmen. Von den Trägern ahnen sie aber nichts. Wenn jemand spricht, hallt das Echo von der Höhlenwand so zurück, als ob die Schatten sprächen. Daher meinen die Gefangenen, die Schatten könnten reden. Sie betrachten die Schatten als Lebewesen und deuten alles, was geschieht, als deren Handlungen. Das, was sich auf der Wand abspielt, ist für sie die gesamte Wirklichkeit und schlechthin wahr. Sie entwickeln eine Wissenschaft von den Schatten und versuchen in deren Auftreten und Bewegungen Gesetzmäßigkeiten festzustellen und daraus Prognosen abzuleiten. Lob und Ehre spenden sie dem, der die besten Voraussagen macht.[4]
Nun bittet Sokrates Glaukon sich vorzustellen, was geschähe, wenn einer der Gefangenen losgebunden und genötigt würde, aufzustehen, sich umzudrehen, zum Ausgang zu schauen und sich den Gegenständen selbst, deren Schatten er bisher beobachtet hat, zuzuwenden. Diese Person wäre schmerzhaft vom Licht geblendet und verwirrt. Sie hielte die nun in ihr Blickfeld gekommenen Dinge für weniger real als die ihr vertrauten Schatten. Daher hätte sie das Bedürfnis, wieder ihre gewohnte Position einzunehmen, denn sie wäre überzeugt, nur an der Höhlenwand sei die Wirklichkeit zu finden. Gegenteiligen Belehrungen eines wohlgesinnten Befreiers würde sie keinen Glauben schenken.[5]
Wenn man den Befreiten nun mit Gewalt aus der Höhle schleppte und durch den unwegsamen und steilen Aufgang an die Oberfläche brächte, würde er sich dagegen sträuben und wäre noch verwirrter, denn er wäre vom Glanz des Sonnenlichts geblendet und könnte daher zunächst gar nichts sehen. Langsam müsste er sich an den Anblick des Neuen gewöhnen, wobei er erst Schatten, dann Spiegelbilder im Wasser und schließlich die Menschen und Dinge selbst erkennen könnte. Nach oben blickend würde er sich erst mit dem Nachthimmel vertraut machen wollen, später mit dem Tageslicht, und zuletzt würde er es wagen, die Sonne unmittelbar anzusehen und ihre Beschaffenheit wahrzunehmen. Dann könnte er auch begreifen, dass es die Sonne ist, deren Licht Schatten erzeugt. Nach diesen Erlebnissen und Einsichten hätte er keinerlei Bedürfnis mehr, in die Höhle zurückzukehren, sich mit der dortigen Schattenwissenschaft zu befassen und dafür von den Gefangenen belobigt zu werden.[6]
Sollte er dennoch an seinen alten Platz zurückkehren, so müsste er sich erst wieder langsam an die Finsternis der Höhle gewöhnen. Daher würde er einige Zeit bei der dort üblichen Begutachtung der Schatten schlecht abschneiden. Daraus würden die Höhlenbewohner folgern, er habe sich oben die Augen verdorben. Sie würden ihn auslachen und meinen, es könne sich offenbar nicht lohnen, die Höhle auch nur versuchsweise zu verlassen. Wenn jemand versuchte, sie zu befreien und nach oben zu führen, würden sie ihn umbringen, wenn sie könnten.[7]
Deutung
Anschließend erklärt Sokrates Glaukon, wie das Gleichnis zu verstehen ist. Die Höhle versinnbildlicht die Welt, die sich den Sinnen darbietet, die normale Umgebung des Menschen, die man gewohnheitsmäßig mit der Gesamtheit des Existierenden gleichsetzt. Der Aufstieg ans Tageslicht entspricht dem Aufstieg der Seele von der Welt der vergänglichen Sinnesobjekte zur „geistigen Stätte“, der intelligiblen Welt, in der sich das nur geistig Erfassbare befindet. Damit meint Platon die unwandelbaren Ideen, die Ur- und Vorbilder der materiellen Phänomene im Sinne seiner Ideenlehre. Unter diesen rein geistigen Dingen nimmt die Idee des Guten den höchsten Rang ein, ihr entspricht im Höhlengleichnis die Sonne. Zur Idee des Guten muss man nach Sokrates’ Überzeugung vorgedrungen sein, um im privaten oder öffentlichen Leben vernünftig handeln zu können.[8]
Zugleich betont Sokrates aber, dass das, was er darlegt, nur eine Ahnung oder Hoffnung (elpís) sei, also kein Wissen. Er äußere zwar auf Glaukons Wunsch seine Ansicht, aber Gott mag wissen, ob sie richtig ist. Damit stellt er klar, dass er selbst den Aufstieg zur Idee des Guten nicht bewältigt hat und nicht eine eigene Erfahrung schildert, sondern nur seine Vorstellung.[9]
Schließlich weist Sokrates noch darauf hin, dass jemand, der in die Höhle zurückkehrt, sich von der Betrachtung des Göttlichen ins menschliche Elend zurückversetzt findet, wo er sich erst zurechtfinden muss. Daher kommt er seiner verständnislosen Umgebung ungeschickt und lächerlich vor. Wären die Höhlenbewohner einsichtiger, so könnten sie verstehen, dass es zwei ganz verschiedene Arten von Störung der Sehkraft gibt. Die eine tritt auf, wenn man vom Licht ins Dunkel gelangt, die andere, wenn man vom Dunkel ins Licht versetzt wird. So verhält es sich auch mit der Seele einer Person, die nach einem Übergang in einen anderen Erfahrungsbereich verwirrt ist und etwas nicht erkennen kann. Der Betreffende sollte nicht ausgelacht werden. Es kommt darauf an, ob er aus dem Licht der Wirklichkeitserkenntnis kommt und sich nun von ungewohnter Finsternis umhüllt findet oder ob er aus relativer Unwissenheit in einen Bereich größerer Klarheit, die ihn nun blendet, vorgedrungen ist. Diese beiden gegensätzlichen Ursachen können die gleiche Wirkung hervorrufen, was für die Einschätzung der jeweiligen Situation von grundlegender Bedeutung ist.[10]
Die anschließenden Ausführungen des Sokrates betreffen die philosophische Bildung, die eine Kunst der „Umlenkung“ (periagōgḗ) ist. Sie soll die Seele von der Dunkelheit des Vergänglichen zur Helle des vollkommenen Seienden hinlenken und schließlich zur Schau der Idee des Guten befähigen. Ein solcher Aufstieg kann nur einem Philosophen gelingen, der sich lange beharrlich darum bemüht. Sokrates betont, dass ebenso wie sich das Auge des Höhlenbewohners nur zusammen mit dem ganzen Körper umwenden kann, auch das Organ der Seele, mit dem sie begreift, nicht für sich allein, sondern nur zusammen mit der ganzen Seele die Umwendung zum Seienden vollziehen kann. Auch die irrationalen Seelenteile bedürfen der Umorientierung. Der erforderliche Bildungsweg wird von Sokrates detailliert beschrieben. Er umfasst zunächst den weniger wichtigen Unterricht in Gymnastik und Musik, dann das Studium der für die philosophische Propädeutik benötigten Fächer in der Reihenfolge Arithmetik, ebene Geometrie, räumliche Geometrie, Astronomie und Harmonielehre. Dabei ist darauf zu achten, dass man auf eine unter philosophischem Gesichtspunkt angemessene Weise vorgeht, nicht empirisch sondern theoriebasiert; anderenfalls sind die Bemühungen unnütz. Erst danach beginnt die Ausbildung in der Dialektik, der methodischen philosophischen Wahrheitssuche.[11]
Wenn der Philosoph sein Ziel erreicht hat, möchte er gern dauerhaft in dem höheren Bereich bleiben. Er ist aber verpflichtet, in die „Höhle“ zurückzukehren, denn er trägt Verantwortung für das Schicksal seiner Mitbürger, die er dort zurückgelassen hat und die seine Hilfe benötigen. Da er über die Tugend der Gerechtigkeit (im Sinne von Platons Gerechtigkeitsverständnis) verfügt, sieht er das ein.[12]
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/H%C3%B6hlengleichnis
Auf der Erdoberfläche befindet sich zwischen dem Höhleneingang und dem Feuer eine kleine Mauer, die nicht so hoch ist, dass sie das Licht des Feuers abschirmt. Längs der Mauer tragen Menschen unterschiedliche Gegenstände hin und her, Nachbildungen menschlicher Gestalten und anderer Lebewesen aus Stein und aus Holz.[2] Diese Gegenstände ragen über die Mauer hinaus, ihre Träger aber nicht. Manche Träger unterhalten sich miteinander, andere schweigen.[3]
Da die bewegten Gegenstände auf die Höhlenwand, der die Gefangenen zugewendet sind, Schatten werfen, können die Höhlenbewohner die bewegten Formen schattenhaft wahrnehmen. Von den Trägern ahnen sie aber nichts. Wenn jemand spricht, hallt das Echo von der Höhlenwand so zurück, als ob die Schatten sprächen. Daher meinen die Gefangenen, die Schatten könnten reden. Sie betrachten die Schatten als Lebewesen und deuten alles, was geschieht, als deren Handlungen. Das, was sich auf der Wand abspielt, ist für sie die gesamte Wirklichkeit und schlechthin wahr. Sie entwickeln eine Wissenschaft von den Schatten und versuchen in deren Auftreten und Bewegungen Gesetzmäßigkeiten festzustellen und daraus Prognosen abzuleiten. Lob und Ehre spenden sie dem, der die besten Voraussagen macht.[4]
Nun bittet Sokrates Glaukon sich vorzustellen, was geschähe, wenn einer der Gefangenen losgebunden und genötigt würde, aufzustehen, sich umzudrehen, zum Ausgang zu schauen und sich den Gegenständen selbst, deren Schatten er bisher beobachtet hat, zuzuwenden. Diese Person wäre schmerzhaft vom Licht geblendet und verwirrt. Sie hielte die nun in ihr Blickfeld gekommenen Dinge für weniger real als die ihr vertrauten Schatten. Daher hätte sie das Bedürfnis, wieder ihre gewohnte Position einzunehmen, denn sie wäre überzeugt, nur an der Höhlenwand sei die Wirklichkeit zu finden. Gegenteiligen Belehrungen eines wohlgesinnten Befreiers würde sie keinen Glauben schenken.[5]
Wenn man den Befreiten nun mit Gewalt aus der Höhle schleppte und durch den unwegsamen und steilen Aufgang an die Oberfläche brächte, würde er sich dagegen sträuben und wäre noch verwirrter, denn er wäre vom Glanz des Sonnenlichts geblendet und könnte daher zunächst gar nichts sehen. Langsam müsste er sich an den Anblick des Neuen gewöhnen, wobei er erst Schatten, dann Spiegelbilder im Wasser und schließlich die Menschen und Dinge selbst erkennen könnte. Nach oben blickend würde er sich erst mit dem Nachthimmel vertraut machen wollen, später mit dem Tageslicht, und zuletzt würde er es wagen, die Sonne unmittelbar anzusehen und ihre Beschaffenheit wahrzunehmen. Dann könnte er auch begreifen, dass es die Sonne ist, deren Licht Schatten erzeugt. Nach diesen Erlebnissen und Einsichten hätte er keinerlei Bedürfnis mehr, in die Höhle zurückzukehren, sich mit der dortigen Schattenwissenschaft zu befassen und dafür von den Gefangenen belobigt zu werden.[6]
Sollte er dennoch an seinen alten Platz zurückkehren, so müsste er sich erst wieder langsam an die Finsternis der Höhle gewöhnen. Daher würde er einige Zeit bei der dort üblichen Begutachtung der Schatten schlecht abschneiden. Daraus würden die Höhlenbewohner folgern, er habe sich oben die Augen verdorben. Sie würden ihn auslachen und meinen, es könne sich offenbar nicht lohnen, die Höhle auch nur versuchsweise zu verlassen. Wenn jemand versuchte, sie zu befreien und nach oben zu führen, würden sie ihn umbringen, wenn sie könnten.[7]
Deutung
Anschließend erklärt Sokrates Glaukon, wie das Gleichnis zu verstehen ist. Die Höhle versinnbildlicht die Welt, die sich den Sinnen darbietet, die normale Umgebung des Menschen, die man gewohnheitsmäßig mit der Gesamtheit des Existierenden gleichsetzt. Der Aufstieg ans Tageslicht entspricht dem Aufstieg der Seele von der Welt der vergänglichen Sinnesobjekte zur „geistigen Stätte“, der intelligiblen Welt, in der sich das nur geistig Erfassbare befindet. Damit meint Platon die unwandelbaren Ideen, die Ur- und Vorbilder der materiellen Phänomene im Sinne seiner Ideenlehre. Unter diesen rein geistigen Dingen nimmt die Idee des Guten den höchsten Rang ein, ihr entspricht im Höhlengleichnis die Sonne. Zur Idee des Guten muss man nach Sokrates’ Überzeugung vorgedrungen sein, um im privaten oder öffentlichen Leben vernünftig handeln zu können.[8]
Zugleich betont Sokrates aber, dass das, was er darlegt, nur eine Ahnung oder Hoffnung (elpís) sei, also kein Wissen. Er äußere zwar auf Glaukons Wunsch seine Ansicht, aber Gott mag wissen, ob sie richtig ist. Damit stellt er klar, dass er selbst den Aufstieg zur Idee des Guten nicht bewältigt hat und nicht eine eigene Erfahrung schildert, sondern nur seine Vorstellung.[9]
Schließlich weist Sokrates noch darauf hin, dass jemand, der in die Höhle zurückkehrt, sich von der Betrachtung des Göttlichen ins menschliche Elend zurückversetzt findet, wo er sich erst zurechtfinden muss. Daher kommt er seiner verständnislosen Umgebung ungeschickt und lächerlich vor. Wären die Höhlenbewohner einsichtiger, so könnten sie verstehen, dass es zwei ganz verschiedene Arten von Störung der Sehkraft gibt. Die eine tritt auf, wenn man vom Licht ins Dunkel gelangt, die andere, wenn man vom Dunkel ins Licht versetzt wird. So verhält es sich auch mit der Seele einer Person, die nach einem Übergang in einen anderen Erfahrungsbereich verwirrt ist und etwas nicht erkennen kann. Der Betreffende sollte nicht ausgelacht werden. Es kommt darauf an, ob er aus dem Licht der Wirklichkeitserkenntnis kommt und sich nun von ungewohnter Finsternis umhüllt findet oder ob er aus relativer Unwissenheit in einen Bereich größerer Klarheit, die ihn nun blendet, vorgedrungen ist. Diese beiden gegensätzlichen Ursachen können die gleiche Wirkung hervorrufen, was für die Einschätzung der jeweiligen Situation von grundlegender Bedeutung ist.[10]
Die anschließenden Ausführungen des Sokrates betreffen die philosophische Bildung, die eine Kunst der „Umlenkung“ (periagōgḗ) ist. Sie soll die Seele von der Dunkelheit des Vergänglichen zur Helle des vollkommenen Seienden hinlenken und schließlich zur Schau der Idee des Guten befähigen. Ein solcher Aufstieg kann nur einem Philosophen gelingen, der sich lange beharrlich darum bemüht. Sokrates betont, dass ebenso wie sich das Auge des Höhlenbewohners nur zusammen mit dem ganzen Körper umwenden kann, auch das Organ der Seele, mit dem sie begreift, nicht für sich allein, sondern nur zusammen mit der ganzen Seele die Umwendung zum Seienden vollziehen kann. Auch die irrationalen Seelenteile bedürfen der Umorientierung. Der erforderliche Bildungsweg wird von Sokrates detailliert beschrieben. Er umfasst zunächst den weniger wichtigen Unterricht in Gymnastik und Musik, dann das Studium der für die philosophische Propädeutik benötigten Fächer in der Reihenfolge Arithmetik, ebene Geometrie, räumliche Geometrie, Astronomie und Harmonielehre. Dabei ist darauf zu achten, dass man auf eine unter philosophischem Gesichtspunkt angemessene Weise vorgeht, nicht empirisch sondern theoriebasiert; anderenfalls sind die Bemühungen unnütz. Erst danach beginnt die Ausbildung in der Dialektik, der methodischen philosophischen Wahrheitssuche.[11]
Wenn der Philosoph sein Ziel erreicht hat, möchte er gern dauerhaft in dem höheren Bereich bleiben. Er ist aber verpflichtet, in die „Höhle“ zurückzukehren, denn er trägt Verantwortung für das Schicksal seiner Mitbürger, die er dort zurückgelassen hat und die seine Hilfe benötigen. Da er über die Tugend der Gerechtigkeit (im Sinne von Platons Gerechtigkeitsverständnis) verfügt, sieht er das ein.[12]
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/H%C3%B6hlengleichnis