Über das Gebet
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Gespräch von Peter Allmend mit einem Nistor - das Wirken eines verborgenen Meisters
Theosophische Gesellschaft in Deutschland e.V.
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Der Meister :
Beten sollte nicht mit betteln verwechselt werden, denn das Wort "Gebet" ist verwandt mit "geben" und nicht mit "nehmen". Der Betende soll
nicht etwas von Gott verlangen,sondern sich seiner Güte und Weisheit ergeben. Gebete sind also nicht versteckte Bestellungen beim Universum
wobei Universum ohnehin nur eine Umschreibung für Gott als den Geber aller Gaben ist,sondern sie münden letztentlich in das Bekenntnis ein :
"Dein Wille geschehe". Im Gebet stimmt sich der Betende auf die Quelle allen Seins ein, so dass in der Stille die Gedanken Gottes in ihn einzu-
fließen vermögen. Der große Poet Gibran hat in seinem Meisterwerk "Der Prophet" einen Satz über das Gebet geschrieben,der eine wundervolle
Wahrheit zum Ausdruck bringt : "Wenn ihr betet erhebt ihr euch und trefft in den Lüften jene,die zur selben Stunde beten und denen ihr nur im
Gebet begegnen könnt ". Du betest also allein und doch bist du in Gemeinschaft. Dein Geist wandert mit jenen,die dir innerlich verbunden sind
wo auch immer sie sich befinden mögen,in dieser oder in einer anderen Welt. Ich habe es immer wieder beobachtet,wie Menschen unterschied-
licher religiöser Traditionen sich gegenseitig oft über weite Entfernungen, im Gebet beeinflusst und spirituell erhoben haben. Du kannst auf den
inneren Ebenen die Gedankenschwingungen sehen,sie verfolgen und ihr segenreiches Werk erkennen.
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Peter Allmend :
"Es zählt also im Gebet nicht das Wort oder der Gegenstand, ich meine die im Gebet angerufene Form der göttlichen Gegenwart, sondern nur
die Tiefe der Hingabe".
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Der Meister :
Das ist das Einzige was wirklich zählt. Es gibt in diesem Zusammenhang eine tiefsinnige chassidische Erzählung : "Ein Rabbi kommt sehr spät
aus der Synagoge zurück,und seine Frau wartet bereits seit Langem mit dem Essen auf ihn. Auf die Frage,wo er denn solange gesteckt habe,
antwortet er,er habe die vielen Gebete anheben müssen,die in der Synagoge steckengeblieben seien". Das klingt nur im ersten Moment humor-
voll, drückt aber vielmehr eine betrübliche Wahrheit aus. In den meisten gesprochenen Gebeten wohnt nicht die Kraft inne, um in eine höhere
Sphäre aufzusteigen. Der ausgehenden Kraft entspricht aber die zurückkehrende. Wie sollen die Engel aus einer nahezu verblassten Gedanken-
form einen Segen für die Menschheit gestalten ?
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Peter Allmend :
"Das Gesetz der Entsprechung im Zusammenhang mit dem Gebet"
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Der Meister :
"Exakt" die Engel beschenken uns ohnehin reichlich,aber sie bedürfen des menschlichen Beitrages. Das Gebet bedeutet Erhöhung über die irdische
Gebundenheit hinaus in ein Reich des Lichts und der Liebe. Gebet bedeutet die Verwandlung vom Ich zum Du,ohne sich selbst als Ich zu verlieren.
Dieses Geschehen ist immer geheimnisvoll,vollzieht sich allein im Herzen des Betenden. Daher fährt der "Prophet" mit Recht fort : "Ich kann euch
nicht lehren wie man mit Worten betet. Gott hört nicht auf eure Worte, außer wenn er selber sie durch eure Lippen spricht". Das wahre Gebet
ereignet sich also dann, wenn im Gebet das Ich des Betenden eins wird mit dem Du, dem das Gebet zugewandt ist. Ich mag den Humor und die
Weisheit Gandis der einmal sagte :"Herr möge ich dankbar sein in dem Wissen,dass du meine Gebete auf Deine Weise beantwortest und nicht auf
die meinige ".
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Gebet und Meditation
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Raum der Stille
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In seinen Stunden der stillen Meditation wird der Schüler festellen, dass es in seinem Inneren einen Raum der Stille gibt in dem er Zuflucht vor
Gedanken und Begierden, von dem Tumult der Sinne und den Verblendungen des Geistes finden kann. Indem er sein Bewusstsein tief in sein Herz
versenkt,kann er diesen Ort errichen zunächst nur,wenn er allein in der Dunkelheit ist.Aber wenn das Bedürfnis nach der Stille groß genug gewor-
den ist, wird er sich ihr zuwenden um sie sogar inmitten des Kampfes mit sich selber zu suchen und er wird sie finden.
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H. P. Blavatsky Oktober 1887
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