05.09.2011, 19:00
Und so erforschte ich mein Sein und mein Selbst, stets nach der Antwort auf die Frage suchend, was mir fehlte, um ich selbst zu sein. Und siehe, die Lösung lag so unendlich nah wie unendlich fern. Gleichsam vor meinen Füßen und doch am Ende der Galaxis.
Ein Tier!
Ein Tier wählen als Totem, als spirituellen Führer, als Wesen, das meine Schritte begleiten soll. Und gleichsam ein Wesen, in dem ich mich selbst erkennen, mich selbst finden könnte. Ein Wesen, das all jenes verkörperte, nach dem ich mich sehnte, und dessen Leben und dessen Sein mich von Grund auf bewegte.
Ein Wesen, das mir gleich war. Ein Wesen, das in sich Realität und Fiktion, Soll und Haben, Wollen Sein vereinte.
Also sprach ich zum Fuchs.
Doch der Fuchs war zu klein. Er war allein, ein scheuer Bewohner des dichten dunklen Waldes. Hier und dort lugte seine Nase aus dem Farn, den Pflanzen des Waldes, auf der Suche nach Beute für seine Jungen. Er war listig und klug, verspielt und neugierig doch er war nicht ich.
Also sprach ich zum Wolf.
Doch der Wolf war zu wild. Ein geschickter Jäger mit scharfen Zähnen. Einem Klagelied gleich klang sein Heulen durch die Nacht und den Wind zu mir, ließ mich schaudern und andächtig lauschen. Er war gleichsam ein Rudeltier wie auch ein Symbol für Einsamkeit, gleichsam geschickter Jäger und andächtiger Wächter, doch er war nicht ich.
Also sprach ich zum Löwen.
Doch der Löwe war zu fremd. Die heiße Steppe war sein Revier, das Gnu, die Antilope und das Zebra, sie waren seine Beute. Ich sah ihn in der Sonne liegen, umgeben von seinem Rudel und satt vom letzten Mahl. Er wird der König der Tiere genannt, keines muss er fürchten, stets war er der mächtigste Räuber, doch er war nicht ich.
Also sprach ich zu der Katze.
Doch die Katze war zu einsam. Sicher und weltgewandt wandelte sie über die Erde, fand stets ihren Weg und war nicht auf andere angewiesen. Sie lebte ihr Leben ohne Hilfe, saß nachts auf den Dächern und sah den Sternen zu oder jagte in der Dunkelheit. Sie war stolz und erhaben, unabhängig und frei, doch sie war nicht ich.
Also sprach ich zum Drachen.
Doch der Drache war zu mächtig. Schiere Größe erdrückte mein Sein, sein lodernder Atem versengte meine Seele. Er war alt und weise, gleichsam ein gefürchteter Kämpfer wie ein kluger Berater. Ich sah ihn an der Seite von Königen stehen, ich sah ihn über gewaltige Länder herrschen und ich sah ihn unter der Klinge der Drachentöter fallen. Er war eine Legende, er war ebenso sehr das gefürchtete Monster wie der gnädige Gott, doch er war nicht ich.
Also sprach ich zum Pferd.
Das Pferd war gleichermaßen scheu wie neugierig, gleichermaßen gewitzt wie naiv. Es zog die Flucht dem Kampfe vor und liebte die Aufmerksamkeit und den Schutz der Herde. Es war kräftig und schnell, machtvoll und doch elegant, ich sah es mit dem Sturm laufen und ich sah, wie die gewaltige Herde Auf ihrer stürmischen Jagd über das Grasland den Boden zum Zittern brachte.
Und das Pferd war ich.
Aus: „Shekina 2“, „Totem“, von Björn „Islaender“ Steinert, Edition Roter Drache