24.06.2013, 00:15
foto: derstandard.at/maria von usslar
Ein Strich durch die Strich kann angeblich so einiges bewirken.
Mit einem einfachen Strich quer durch den Code ist die Firma Sonnentor bemüht, ihre Kunden vor vermeintlicher Strahlung zu schützen
Die Gefahr lauert im Supermarkt. Die Rede ist nicht von überzuckerten Limonaden, fetten Chips oder Fertiggerichten mit Geschmacksverstärkern. Tatsächlich geht es um ein paar Dutzend schwarzer Striche, die auf so gut wie allen Produktverpackungen zu finden sind. Diese Strichcodes, die an der Kassa über den Laserscanner gezogen werden, schaden dem menschlichen Organismus. Zumindest behauptet das eine immer lauter werdende Gemeinschaft von Esoterikern.
Die aufgedruckten Codes, so das Argument, wirken wie Antennen und nehmen Strahlung aus der Umgebung auf. Diese geben sie dann an Speisen und Getränke weiter. Der Mensch nimmt die schädliche Strahlung unbemerkt auf, heißt es auf zahlreichen Blogs und in Internetforen, und schwächt damit sein Immunsystem. "Durch den Laserscanner an der Kasse und fluoreszierende Supermarktlichter", schreibt eine Bloggerin, werde die negative Energie der Barcodes zusätzlich aktiviert. So mancher Verschwörungstheoretiker fürchtet hinter den Zahlenkombinationen auch Botschaften des Teufels.
Papier als Nichtleiter
"Aus wissenschaftlicher Sicht ist nichts dran", sagt Florian Aigner, Quantenphysiker und Mitglied der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP). Das Abziehen von Energie durch Barcodes aus der Umwelt funktioniert nicht, so Aigner. Seine Erklärung dazu: "Als Antenne kann nur etwas wirken, das elektrischen Strom leitet. Wenn ich einen Barcode auf Papier oder eine Plastikverpackung drucke, dann leitet das nicht." Die Wechselwirkung zwischen Materie und elektromagnetischer Strahlung sei heute gut erforscht und würde sich auch gut untersuchen und nachweisen lassen. Im Fall der Barcodes gibt es jedoch keine Hinweise, dass es zu einer Wechselwirkung kommt.
Der Glaube an die gesundheitsschädigende Wirkung der Barcodes hält sich jedoch hartnäckig. Darauf hat auch das österreichische Unternehmen Sonnentor - Hersteller von Bio-Produkten wie Tees und Gewürzen - reagiert und bietet seit mehr als fünf Jahren Produktverpackungen mit entstörten Barcodes an. Mit einem Querstrich "durchgestrichen", wird den Codes die vermeintlich negative Kraft genommen. Diese Methode wendet in Deutschland auch die Firma Rabenhorst an, ein Hersteller von Bio-Säften.
"Prinzipiell stehen wir dem Thema neutral gegenüber", sagt Sonnentor-Pressesprecherin Manuela Seebacher. Auch wenn das Phänomen wissenschaftlich nicht nachgewiesen sei: Aufgrund zahlreicher Kundenanfragen habe sich das Unternehmen schließlich entschlossen, die Strichcodes zu entstören. Das Feedback der Kunden sei sehr positiv gewesen.
Anti-Strahlen-Stift
In Selbstexperimenten versuchen einige Menschen, die von den Barcodes ausgehende negative Energie aufzuspüren - etwa durch den Einsatz von Pendeln oder Wünschelruten. Die Ergebnisse werden dann im Internet präsentiert. Dass dadurch bei manchen Konsumenten Angst geschürt wird, sehen viele Wissenschaftler kritisch. "Manche Leute nehmen das sehr ernst und haben dann in ihrem Alltag schwere Probleme", sagt Aigner.
Andere schlagen aus der Sache Profit. Für rund 20 bis 30 Euro werden im Netz spezielle Stifte angeboten, die Abhilfe schaffen sollen. Mit einem energetisch informierten Chip im Stift könne die toxische Belastung des Barcodes per Durchstreichen einfach neutralisiert werden, heißt es. Für jene, die es etwas exklusiver mögen: Sogenannte Orgonakkumulatoren sollen eine ähnliche Wirkung haben. Sie sehen aus wie ein einfaches Tablett und kosten mehr als 1.200 Euro. "Entenergetisieren Sie Ihre Lebensmittel, Wasser,
Pflanzen und Haustiere", werben die Händler im Internet.
Für Aigner steht hinter dem Glauben an die teuflischen Botschaften und Gesundheitsrisiken vor allem eines - große Technikfeindlichkeit: "Barcodes sind für diese Gemeinschaft auch ein Symbol für Technik. Und Technik gilt dort grundsätzlich als schlecht." (Sarah Dyduch, derStandard.at, 12.6.2013)
gefährlicher barcode ?