15.06.2012, 22:45
Die vedischen Schriften
sarvasya caham hrdi sannivisto mattah smrtir jnanam apohanam ca
vedais ca sarvair aham eva vedyo vedanta-krd veda-vid eva caham
"Ich weile im Herzen eines jeden, und von mir kommen Erinnerung, Wissen und Vergessen. Das Ziel aller Veden ist es, Mich zu erkennen. Wahrlich, ich bin der Verfasser des Vedanta, und ich bin der Kenner der Veden."
Einführung
Das vedische oder göttliche Wissen wurde am Beginn dieses Zeitalters vor ca. 5000 Jahren von Vedavyasa, einer Inkarnation des Höchsten Herrn, schriftlich aufgezeichnet.1 Davor wurde es mündlich überliefert. Als erstes Lebewesen empfing Brahma, der auch als Prajapati ("Herr der Geschöpfe") bekannt ist, das Wissen direkt von Krsna, dem Höchsten Herrn. Brahma gab es weiter an seine Söhne, die es ihren Söhnen und Schülern vermittelten usw. Anfangs gab es nur einen Veda, der später zur Erleichterung des Studiums vierfach unterteilt wurde in Rg, Yajur, Sama und Atharva. Rg Veda enthält Hymnen, Yajur ritualistisches Wissen für die Ausführung von yajña-s, Sama für Gesang und Musik bearbeitete Hymnen des Rg, und Atharva Veda enthält neben vielen mantra-s des Rg und Yajur Beschwörungsformeln für verschiedene Zwecke (z.B. Heilung; Beseitigung von Krankheiten). In den Veda-s ist alles notwendige Wissen enthalten, durch das die Menschen einzeln oder als Gesellschaft sowohl materielles Glück als auch Befreiung erlangen können.
Es gibt sechs vedanga-s (Glieder der Veda-s) - jyotisa (Astronomie und Astrologie), candas (Metrik), nirukta (Etymologie), siksa (Aussprache), vyakarana (Grammatik) und kalpa (Ritual) - und vier upaveda-s (sekundäre Veda-s) - dhanurveda (Kriegskunst), sthapatya (Architektur), Ayurveda und gandharvaveda (Musikwissenschaft).
Nach einer anderen Einteilung ist das Wissen in den Veda-s in 4 Sektionen organisiert: samhita, brahmana, aranyaka und upanisad. Die samhita-Sektion enthält Hymnen, brahmana ritualistische Details, aranyaka philosophische Fragen und upanisad tiefe philosophische Einsichten. Chandogya und Kena Upanisad z.B. gehören zum Sama Veda, Isa und Katha Upanisad zum Yajur Veda; Aitareya Brahmana zählt zum Rg Veda und Satapatha Brahmana zum Yajur Veda.
Außer den vier Veda-s wurden im Laufe der Zeit von großen Weisen noch andere Abhandlungen vedischen Wissens verfaßt, die sich mit bestimmten Themen befassen. Die Upanisad-en repräsentieren die Philosophie der Veda-s; das Vedanta-sutra stellt die Essenz der Veda-s und Upanisad-en dar, und das Srimad-Bhagavatam ist die Essenz des Vedanta-sutra (auch Brahma-sutra genannt) und wird als "reife Frucht am Baum der vedischen Weisheit" bezeichnet. Die beiden letztgenannten Werke wurden von Srila Vyasadeva verfaßt, das Srimad-Bhagavatam unter der besonderen Anleitung seines Guru Narada Muni. Vedavyasa schrieb außerdem das große Epos Mahabharata, dessen wichtigstes Kapitel als Bhagavad-gita Berühmtheit erlangt hat, die spirituelle Essenz aller Veda-s in klarster Form enthält und seit Jahrtausenden als Standardwerk des bhakti-yoga-Systems hochgeschätzt wird.
Die vedischen Geschichtsbücher, welche historische Aufzeichnungen in nicht unbedingt chronologischer Reihenfolge enthalten, werden Itihasa-s und Purana-s genannt. Die bekanntesten Itihasa-s sind Vedavyasas Mahabharata und Valmikis Ramayana. In ihnen werden die Taten großer Herrscher, Halbgötter und anderer bedeutender und außergewöhnlicher Persönlichkeiten der Weltgeschichte erzählt, die, aus sogenannter wissenschaftlicher Sicht Produkte einer regen Phantasie zu sein scheinen. Philosophische Erörterungen, dharma, yoga und andere Themen nehmen in diesen Schriften ebenfalls einen wichtigen Raum ein.
Andere bedeutende spezifische Abhandlungen vedischen Wissens, die im Laufe der Geschichte offenbart wurden, sind z.B. Manu-samhita, das Gesetzbuch Manus, in welchem die sozialen und religiösen Pflichten der arya-s (Mitglieder einer zivilisierten Gesellschaft) dargelegt sind; Visnu-smrti; Narada-smrti; Yajñavalkya-smrti; im 16. Jahrhundert die Schriften der sechs Heiligen Rupa, Jiva etc. Gosvamis, Krsnadasa Kavirajas und anderer vaisnava-s, deren Schriften das höchste vertraulichste Wissen offenbaren und in neuerer Zeit die Schriften Bhaktivedanta Swamis, dem wir eine (fast) vollständige Übersetzung des Srimad-Bhagavatam mit ausführlichen Kommentaren verdanken. Er übersetzte außerdem das große Werk Caitanya-caritamrta von Krsnadasa Kaviraja ins Englische. Dies sind nur ein paar Beispiele aus dem Schatzhaus der vedischen Literatur. Was immer im Lauf der Zeit durch große Heilige und Weise offenbart wurde und noch offenbart wird und nicht im Widerspruch steht zu den Kernaussagen der ursprünglichen Veda-s wird ebenfalls als Veda anerkannt, d.h. es gilt als authentische Quelle vedischen Wissens.
Die vedische Literatur ist so umfangreich, daß es heutigen Gelehrten, die sich ausschließlich mit dem Studium der vedischen Schriften beschäftigen, schwer fallen dürfte, sie alle im Laufe eines Lebens im Sanskrit-Original zu studieren. Um sich eine Vorstellung vom Umfang der vedischen Literatur zu machen, ein paar Beispiele: Rg Veda besteht ursprünglich aus über 1000 Hymnen mit hunderttausenden von Versen, Manu-smrti umfaßt ca. 2500 Verse, Mahabharata 100000 Doppelverse, Ramayana 24000, Srimad-Bhagavatam 18000 Verse und die Puranas bestehen zusammen aus über 300.000 Versen, wovon heute nicht mehr alle vorhanden sind.
Die Schriften zu studieren ist eine Sache und sie korrekt zu verstehen eine andere. Akademische Gelehrsamkeit allein nützt wenig. Im Srimad-Bhagavatam unterweist der Höchste Herr Seinen Geweihten Uddhava mit folgenden Worten:
Wenn jemand durch akribisches Studium geschickt wird im Lesen vedischer Literatur, aber keine Bemühung unternimmt, den Geist auf die Persönlichkeit Gottes zu fixieren, dann gleicht seine Bemühung der eines Mannes, der sehr hart arbeitet, um für eine Kuh zu sorgen, die keine Milch gibt. Mit anderen Worten, die Frucht seines mühsamen Studiums des vedischen Wissens ist die Mühe selbst, ohne ein anderes greifbares Resultat. Mein lieber Uddhava, jener, der für eine Kuh sorgt, die keine Milch gibt; eine untreue Frau; ein Körper, der völlig von anderen abhängig ist; nutzlose Nachkommen und Reichtum, der nicht für den richtigen Zweck verwendet wird, sind sicherlich höchst erbärmlich. In gleicher Weise ist jemand, der vedisches Wissen studiert, das bar meiner Herrlichkeit ist, höchst erbärmlich. (Srimad-Bhagavatam 11.11.18-19)
Diejenigen, die die Veda-s (vedischen Schriften) bei unautorisierten, materialistischen Lehrern studieren, können ihre Schlußfolgerungen nicht begreifen und verschwenden lediglich ihre Zeit. An einer weltlichen Universität wird man kaum ein klares Verständnis der Veda-s erlangen können. Die vielen Spekulationen über die Veden und Kommentare zu den Veden bilden den Beweis dafür. Es ist nicht der Sinn der Veda-s, daß man sie studiert, um anschließend herumzuspekulieren, mit Geschichtszahlen zu jonglieren und Dissertationen darüber zu verfassen, wie oft bestimmte Wörter in welchen Teilen, in welchen Zusammenhängen etc. gebraucht werden. Die Veda-s wurden zum besten Nutzen aller verfaßt, doch solche Art der Ausschlachtung nutzt niemandem. Die Veda-s werden allgemein als älteste Schriften anerkannt und keine Kultur, auch später nicht, hat jemals vergleichbare Literatur hervorgebracht.
Die Veda-s werden als sruti ("das, was man durch Hören empfängt") bezeichnet, da sie ehemals, lange vor der Erfindung von Druck- und Kopiermaschinen, durch Hören empfangen wurden, und Schriften, die auf den Veda-s basieren, werden als smrti ("das, was man erinnert")2 bezeichnet.
Als es dann die ersten Aufzeichnungen gab, konnten sich diejenigen, die nicht intelligent genug waren, sie im Gedächtnis zu behalten, Texte abschreiben.3 Ernsthafte und entschlossene Personen müssen dafür weite, beschwerliche Reisen auf sich genommen haben, die heute sicher kein Akademiker für das Studium der Veda-s auf sich nehmen würde.
Karma und Reinkarnation
Karma bedeutet Handlung, Aktion, Tätigkeit, Arbeit. Im allgemeinen erzeugen Aktionen bestimmte Reaktionen. Handlungen sind wie Samen. Wie jeder Same zu gegebener Zeit eine bestimmte Frucht hervorbringt, so erzeugen Handlungen zu gegebener Zeit bestimmte Reaktionen (karmaphala). Die Früchte mancher Handlungen reifen schnell und man erhält sie sofort oder später im Leben, andere reifen langsam und man erhält sie erst im nächsten Leben. Alles, was von uns ausgeht, kommt in ähnlicher Weise auf uns zurück. Wenn ich z.B. jemanden beraube, werde ich irgendwann selbst beraubt werden; das Leid, das ich anderen Lebewesen zufüge, werde ich irgendwann selber tragen müssen. Genauso werde ich irgendwann (in diesem Leben oder im nächsten) - und zwar ohne mich dafür extra bemühen zu müssen - das zurückbekommen, was ich freiwillig gerne gegeben habe. Das ist das Gesetz des karma. "Was man sät, das wird man ernten", "wie es in den Wald hineinruft, so schallt es heraus", "wer gibt, dem wird gegeben; wer nimmt, dem wird genommen"........
Jemand mag heute große Reichtümer besitzen und morgen (d.h. später in diesem Leben oder im nächsten Leben) mag er bettelarm sein. Jemand mag heute ein Herrscher sein und morgen ein Knecht. Jemand mag heute Ansehen und materielle Freuden genießen und morgen mag er verachtet sein und leiden. Törichte Menschen machen gerne andere Menschen, das Schicksal oder den "lieben Gott" für ihre Schwierigkeiten und Leiden verantwortlich, weil sie unwissend sind und selbst keine Verantwortung für ihre Handlungen übernehmen wollen. Um das Gesetz des karma zu begreifen, muß man Wiedergeburt in einem anderen Körper, Seelenwanderung, akzeptieren.
Es gibt unsichtbare Zeugen für unsere Handlungen. Gute Handlungen - schlechte Handlungen, religiöse Handlungen - irreligiöse Handlungen, fromme Handlungen - sündhafte Handlungen werden alle von der Überseele im Herzen registriert, die dann dafür sorgt, daß der Handelnde zu gegebener Zeit in entsprechenden Lebensumständen seine Reaktionen erhält. Wenn z.B. jemand unter den Taten von Barbaren körperlich oder seelisch zu leiden hat, ist er zwar letztlich selbst die Ursache dieser Leiden, das bedeutet aber nicht, daß seine Peiniger unschuldig sind. Sie werden früher oder später genauso unter ihren Taten zu leiden haben, wie ihre Opfer.
Welche Art von Handlungen man ausführt, ist abhängig vom Zustand des Geistes unter dem Einfluß der drei Erscheinungsweisen sattva, rajas und tamas.
Die karmischen Samen können zerstört werden durch bestimmte Bußen, Entsagungen, Pilgerreisen, Baden in heiligen Flüssen und andere religiöse Handlungen. Wenn sie zerstört sind, braucht man ihre Früchte nicht zu kosten. Die karmischen Reaktionen auf sündhafte Handlungen immer wieder durch entsprechende religiöse Handlungen zu neutralisieren, ist jedoch keine Lösung des Problems, da das Rad der Handlungen ständig rollt und dadurch nicht angehalten werden kann. Bevor man für eine sündhafte Handlung ausreichend Buße getan hat, hat man schon wieder zehn neue sündhafte Handlungen begangen. Ob sündhafte Handlungen oder fromme Handlungen - durch karma wird die spirituelle Seele auf jeden Fall an die materielle Welt gebunden und erleidet die Qualen von Geburt, Krankheit, Alter und Tod.
Man muß beim Höchsten Herrn Zuflucht suchen und sich in Seinem hingebungsvollen Dienst beschäftigen. Das ist die einzige Möglichkeit die Wurzel aller Verstrickung in karma und karmische Reaktionen - die Neigung unabhängig vom Herrn zu genießen - zu zerstören.
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Der folgende Text ist ein Auszug eines Kapitels aus AYURVEDA-LEHRBUCH - Kompendium des Ayurveda-Klassikers Caraka-Samhita (Sutrasthanam 4.3 „Über 3 Bestrebungen“). In diesem Kapitel werden die drei Bestrebungen pranaisana (das Bestreben, das Leben bzw. die Gesundheit zu erhalten), dhanaisana (das Streben nach Wohlstand) und paralokaisana (das Bestreben auf die himmlischen Planeten erhoben zu werden bzw. eine bessere Geburt nach diesem Leben zu erlangen) besprochen. Nach der Philosophie der Veden ist dieses Leben nur eines von vielen Leben, die man zu durchleben hat, genauso wie ein Tag eines Lebens nur einer von vielen ist. Und wie man sich heute bemüht, daß es einem morgen besser oder wenigstens nicht schlechter geht als heute, so sollte man sich in diesem Leben bemühen, daß es einem im nächsten Leben besser oder wenigstens nicht schlechter geht. Die nächste Existenz ist abhängig von den Handlungen, die man in diesem Leben ausführt. Lebt man unverantwortlich und bemüht sich nicht, den Einfluß von rajas und tamas zu überwinden, der im kali-yuga so stark ist, kann es passieren, daß man unter elenden Umständen als Mensch wiedergeboren wird oder gar hinabsinkt im Evolutionszyklus und als ein Tier oder gar als Pflanze wiedergeboren wird. Lebt man aber vernünftig und befolgt die religiösen Prinzipien, die in Bhagavad-gita, Manu-samhita, Mahabharata und anderen vedischen Schriften aufgezeichnet sind, kann man zu höheren, himmlischen Planeten erhoben werden.
paralokaisana
Von dharma1 hängt nicht nur dhanam (Wohlstand, Reichtum) in diesem Leben ab, sondern auch der nächste Körper, die nächste Geburt. Ob man als Mensch wiedergeboren wird, als Tier oder Halbgott, ob man aufsteigt oder absteigt im Evolutionszyklus, hängt vom Verhalten in diesem Leben, von der Achtung bzw. Nichtachtung von dharma ab. Paralokaisana, das Bestreben auf den himmlischen Planeten wiedergeboren zu werden, wird auch svargakama genannt. Kama bezeichnet sowohl Verlangen nach Genuß als auch Genuß selbst. Den höchsten Genuß in dieser Welt erlangt man auf svargaloka, den himmlischen Planeten.
Gibt es überhaupt ein Leben nach dem Tod? Ist Reinkarnation (punarjanman) nicht einfach nur eine Vorstellung? Die Zweifel sind berechtigt, denn man kann Wiedergeburt nicht wahrnehmen, kaum einer kann sich auch nur an ein vergangenes Leben erinnern, und die Aussagen derer, die dies behaupten, sind kein Beweis. Unsere sinnliche Wahrnehmung ist begrenzt, deshalb müssen wir uns, wenn es um nicht-wahrnehmbare, metaphysische Dinge geht, an die Aussagen der offenbarten Schriften, Logik und Folgerung halten. Selbst materielle Dinge können aufgrund verschiedener Faktoren wie extreme Nähe, extreme Ferne, Bedeckung, Unfähigkeit der Sinne, Ruhelosigkeit des Geistes, Vermischung mit ähnlichen Dingen, Winzigkeit etc. nicht wahrgenommen werden, ganz zu schweigen von metaphysischen Dingen. Die Verbindung der materiellen Elemente des Körpers, das Leben, ist abhängig von der Gegenwart des atman (die spirituelle Seele) im Körper. Verläßt atman den Körper, trennen sich die Elemente wieder. Die sastra-s erklären, daß die unpersönliche Auffassung vom Leben, alles sei aus Zufall entstanden, es gäbe keine Ursache und keinen Verursacher, kein Selbst, keinen Höchsten Kontrollierenden, keine Wissenden, keine Götter, kein karman und kein karmaphala (karmische Reaktionen), die größte aller Sünden ist. Man sollte diese unpersönliche, falsche Sicht aufgeben und die Realität mit den Augen der sastra-s sehen (sastra-caksuh).2
4 Methoden der Aneignung von Wissen
Alle Dinge können zweifach unterteilt werden in existent (sat) und nichtexistent (asat). Für ihre Examination gibt es vier Methoden: (1) autoritative Aussagen (aptopadesa), (2) Wahrnehmung (pratyaksa), (3) Folgerung (anumana) und (4) Vernunft oder Logik (yukti).
Definition von apta
Als apta werden diejenigen bezeichnet, die frei sind von rajas und tamas, die die Kraft der Entsagung und Wissen besitzen, deren Wissen defektlos und ewig universell gültig ist. Da sie frei sind von rajas und tamas, sind ihre Aussagen wahr und erhaben über jeden Zweifel.
Definition von pratyaksa
Wissen, das durch gegenwärtigen Kontakt von Selbst, Intelligenz, Geist und Sinnen mit den Sinnesobjekten erlangt wird, wird pratyaksa genannt.
Definition von anumana
Anumana basiert auf vorheriger Wahrnehmung. Es ist von dreifacher Art und bezieht sich auf die drei Zeiten Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft. Man kann ein bedecktes Feuer vom Rauch ableiten, einen Fötus von sexueller Vereinigung und die kommende Frucht vom Samen. Aus dem Anblick einer Frucht folgert man die Ursache der Frucht.
Definition von yukti
Man kann beobachten, daß das Wachstum von Getreide von der Kombination der Faktoren Wasser, Pflügen des Feldes, Saat und Klima abhängt, das Wachstum des Fötus von der Kombination der dhatu-s und die Erzeugung von Feuer vom Feuerstein, Feuerstock und Reibung des Stocks am Stein. So beseitigen die vier Beine der Therapie Krankheiten, wenn sie in Kombination und vernünftig angewandt werden. Yukti bedeutet das Wissen, das die Dinge durch eine Kombination vieler verursachender Faktoren erzeugt sieht.
Diese vier - apta, pratyaksa, anumana und yukti3 - sind das Instrument und die Methode der Examination, durch das alles - existentes und nichtexistentes - untersucht werden kann. Und diese Methoden liefern den Beweis, daß Reinkarnation (punarjanman) wahr ist.
Beweis für Wiedergeburt durch aptopadesa
Autoritative Schriften sind sruti (die Veda-s) und smrti (Schriften, die auf den Veda-s basieren), die von apta-s zum Wohl der Menschen verfaßt und die von allen anderen apta-s anerkannt sind. Aus den autoritativen Schriften geht hervor, daß dana, yajña, satya, tapas, ahimsa und brahmacarya (Wohltätigkeit, religiöse Opfer, Wahrhaftigkeit, Entsagung, Gewaltlosigkeit und sexuelle Enthaltsamkeit4) zu vollkommenem Wohlbefinden und zur Befreiung aus samsara (Kreislauf von Geburt und Tod) führen und daß denjenigen, die ihre mentalen Defekte nicht überwunden haben, punarbhava (Wiedergeburt) gewiß ist.
Ein Beispiel für eine autoritative Schrift, die Reinkarnation erklärt, ist die Bhagavad-gita. Im 2. Kapitel, Vers 13 heißt es:
dehino 'smin yatha dehe kaumaram yauvanam jara | tatha dehantara-praptir
So wie die verkörperte Seele in diesem Körper fortgesetzt von Kindheit zu Jugend und zu Alter wandert, so geht die Seele beim Tod in einen anderen Körper ein.
Und in Vers 22 unterweist uns der Höchste Herr mit folgenden Worten:
vasamsi jirnani yatha vihaya navani grhnati naro 'rarani |
tatha sarirani vihaya jirnany anyani samyati navani dehi
Wie ein Mensch alte Kleider ablegt und neue anzieht, so gibt die Seele alt und unbrauchbar gewordene Körper auf und nimmt neue materielle Körper an.
Beweis für Wiedergeburt durch pratyaksa
Durch Wahrnehmung läßt sich beobachten, daß Nachkommenschaft den Eltern unähnlich ist, daß Unterschiede in der Stimme, Physiognomie, Geist, Intellekt, Schicksal bestehen. Eine Person wird in einer gehobenen und eine andere in einer niedrigen Gesellschaftsschicht geboren. Der eine erlangt Glück, der andere Leid, die Lebensspanne ist unterschiedlich. Die Neigung der Neugeborenen zu lachen, weinen, saugen an der Brust der Mutter etc., das Erlangen unterschiedlicher Resultate trotz ähnlicher Handlungen, intellektuelle Interessen, Neigungen und Abneigungen - all dies deutet auf ein vergangenes Leben hin.
Beweis für Wiedergeburt durch anumana
Es läßt sich folgern, daß die Aktionen des Selbst unzerstörbar sind und daß das Erlangen der Reaktionen unvermeidbar ist. Dies nennt man Schicksal. Die Wiedergeburt - gleich welcher Form - ist das Resultat vergangener Handlungen. Handlungen, die man in diesem Leben ausführt, erzeugen den nächsten Körper. Ein Leben geht aus einem vergangenen Leben hervor und erzeugt ein weiteres, genauso wie Früchte aus Samen hervorgehen und Früchte wieder neue Samen hervorbringen.
Beweis für Wiedergeburt
durch yukti
Und was ist der logische Beweis für Reinkarnation? Nichts ist ohne Ursache, eine Sache geht immer aus einer anderen hervor. Der Fötus wird durch die Kombination von sechs dhatu-s gebildet, Aktion findet statt durch die Verbindung von Handelndem und Instrument der Handlung. Karmaphala (Resultat der Handlung) geht aus karman (Handlung) hervor und nicht aus akarman (Nichthandlung). Es gibt kein Wachstum eines Keimes ohne Samen. Karmaphala ist immer im Einklang mit karman. Einer bestimmten Handlung folgt ein bestimmtes Resultat, genauso wie aus einem bestimmten Samen eine bestimmte Pflanze wächst oder aus einer bestimmten Blüte eine bestimmte Frucht hervorgeht.
Wenn man durch die vier Methoden der Wissensaneignung und Examination von Reinkarnation überzeugt worden ist, wird man sich sein Leben lang bemühen, im Einklang mit den sastra-s zu handeln, so daß eine bessere Geburt - sei es unter Menschen oder auf höheren Planeten unter Halbgöttern - die Folge ist. Letztlich kommt es jedoch darauf an, das höchste Reich der Freiheit und Glückseligkeit, das Königreich Gottes, von dem es keine Wiederkehr gibt, zu erreichen. Damit ist das Bestreben nach „der anderen Welt“ erklärt.
Materie und Bewußtsein
Leben (ayus) bedeutet die Verbindung von Körper, Geist und Seele. Der große Lehrer und Kenner des Ayurveda, Punarvasu Atreya, definiert in der Caraka-samhita Leben mittels folgender Synonyme: cetananuvritti (Fortbestand des Bewußtseins), jivita (Beseelung), anubandha (beständiger Fluß) und dhari (Erhaltung des Körpers). Ayurveda ist die Wissenschaft, durch die ayus, das Leben, verstanden wird.
sattvam-atma sariram ca trayam-etat-tridandavat | lokas-tisthati samyogat-tatra sarva pratisthitam || sa pumams-cetanam tacca taccadhikaranam smrtam | vedasyasya tad artham hi vedo 'yam samprakasitah ||
"Sattvam (Psyche - der feinstoffliche Körper bestehend aus Geist, Intelligenz und Ego), atma (Selbst) und sarira (der grobstoffliche Körper) sind eine Dreiheit, auf welcher das Wissen vom Leben basiert. Diese lebendige Dreiheit ist bewußtes Individuum (purusa), und sie ist der Ort dieses Veda. Für sie allein ist Ayurveda ans Licht gebracht worden." [Caraka-Samhita, Sutrasthana 1.46-47]
Ein Körper kann nicht ohne Bewußtsein existieren, was aber ist Bewußtsein und woher kommt es? Materialistische Wissenschaftler, die nach dem Ursprung des Bewußtseins forschen, stellen sich die Frage: "wie entsteht aus Materie Bewußtsein, wie entwickelt sich Bewußtsein im Lebewesen?" Zu dieser Frage werden sie nur nutzlose Spekulationen liefern können und wenn sie zehn Nobelpreise dafür bekommen. In vedischen Schriften, speziell in der Sankhya-Philosophie, wird die Frage andersherum gestellt und auch beantwortet: "wie entsteht aus Bewußtsein Materie?".
Bewußtsein im Lebewesen ist spirituelle Energie, ein Symptom der spirituellen Seele. Es gibt in dieser Welt zwei Hauptenergien: prakrti (materielle Energie) und brahman (spirituelle Energie). Materielle Energie, Materie ist ohne Bewußtsein und spirituelle Energie besitzt Bewußtsein. Leben bedeutet eine Kombination dieser beiden Energien und wird durch die Anwesenheit des Höchsten Bewußtseins in Form von paramatma (Überseele) im Lebewesen aktiviert. Deshalb heißt es in Caraka-Samhita, Sutrasthana 1.48: "sendriyam cetanam dravyam nirindriyam acetanam - dravya mit Sinnesorganen (lebendiger Körper) ist bewußt und dravya ohne Sinnesorgane (tote Materie) ist unbewußt".
Jivatma (die spirituelle Seele) ist ein winziges Teilchen von brahman, wie ein Lichtpartikel ein winziges Teilchen der Sonne oder ein kleiner Funke in einem unendlichen Feuer ein winziges Teilchen dieses Feuers ist. Die Quelle von brahman ist parabrahman, die Höchste Persönlichkeit Gottes; brahman ist die gleißende Ausstrahlung seines transzendentalen Körpers. Der Höchste Herr und jivatma sind eins, in dem Sinne, daß beide von spiritueller Natur sind, genauso wie Funken eines Feuers oder Strahlen der Sonne eins sind in bezug auf Licht und Wärme.
Die Persönlichkeit Gottes ist das Reservoir unbegrenzter Energien. Sie besitzt unbegrenzte Macht, ist völlig unabhängig, allwissend, alldurchdringend, unfehlbar, absolut. Die spirituellen Seelen sind ihrer Natur nach seine Diener. Sie besitzen eine winzige Unabhängigkeit, die darin besteht, daß sie Ihm dienen oder sich von Ihm abwenden können. Diejenigen der unzähligen jivas, die sich von Ihm abwenden, gelangen in die materielle Welt und nehmen dort entsprechend ihrer Verlangen und Taten einen Körper nach dem anderen an. Wenn sie sich ihrer wahren Natur bewußt werden und sich im Dienste des Herrn beschäftigen, werden sie befreit und gelangen in die spirituelle Welt, wo es weder Geburt noch Tod, noch Krankheit, noch Alter, noch die geringste Spur von Leid und Unwissenheit gibt.
Die vedischen Schriften erklären wie aus Bewußtsein, d.h. aus dem Bewußtsein des Höchsten Herrn, Materie entsteht. Der Höchste Herr in der Form Maha-Visnus erschafft zuerst aus Seiner maya-shakti ("Schattenenergie") pradhana oder mahat-tattva, die unmanifestierte Gesamtheit aller materiellen Elemente. Daraus manifestieren sich - angeregt durch den Zeitfaktor - die drei gunas (sattva, rajas, tamas - Erscheinungsweisen der materiellen Natur) und die 24 Elemente des Körpers: ahankara (falsches Ego), manas (Geist), buddhi (Intelligenz), avyakta (der unmanifestierte Zustand von prakrti, der materiellen Natur), die 5 tanmatras (Sinnesobjekte), die 5 wissenserwerbenden Sinne, die 5 Arbeitssinne und die 5 mahabhutas (großen Elemente - Erde, Feuer, Wasser, Luft und Raum). Ahankara hat drei Aspekte: vaikarika (Reinheit, Tugendhaftigkeit), taijasa (Leidenschaft) und tamasa (Unwissenheit, Trägheit).
In dem Moment, wo atman (spirituelle Seele; bewußter spiritueller Funke) durch sein karma und seine materiellen Wünsche unterer höherer Kontrolle in eine materielle Verbindung - z.B. von Samen und Eizelle - eingeht, entwickelt sich ein Lebewesen. Das Bewußtsein des Lebewesens wird durch seinen materiellen Körper gefiltert. Nach vedischer Philosophie gibt es 8.400.000 Lebensformen, das bedeutet, daß es genauso viele Filter des Bewußtseins der spirituellen Seelen gibt. Innerhalb der menschlichen Lebensform ist das Bewußtsein auch wieder vielfach gefiltert, z.B. hat ein Säugling ein anderes Bewußtsein als ein Kind und ein Erwachsener ein anderes als ein Kind. Außerdem wird das Bewußtsein eines Menschen durch sattva, rajas und tamas oder einer Kombination dieser gunas bedingt.
Die Schriften unterscheiden 5 Stadien des Bewußtseins: 1. acchadita-cetana (bedecktes Bewußtsein), 2. sankucita-cetana (beschränktes Bewußtsein), 3. mukulita-cetana (knospendes Bewußtsein), 4. vikacita-cetana (erblühendes Bewußtsein), 5. purna-vikacita-cetana (voll erblühtes Bewußtsein).
1. Die spirituellen Seelen, die in Bäumen, Kräutern, Gräsern etc. und in Steinen residieren, befinden sich im Stadium bedeckten Bewußtseins. Sie sind fast unbewußt.
2. Tiere, Vögel, Schlangen, Fische, Würmer, Insekten, etc. sind Lebewesen mit beschränktem Bewußtsein. Ihr Bewußtsein ist etwas geöffnet und ihre Aktivitäten sind hauptsächlich auf Essen, Schlafen, Verteidigung, Sex, Spiel u.a. Tätigkeiten, die sich nur auf den Körper beziehen, fixiert. Sie sind sich nicht bewußt über die Existenz einer Welt jenseits der Materie. Manche Tiere haben Wissen über die verschiedenen Eigenschaften verschiedener Objekte. Sie mögen auch Zeichen von Dankbarkeit und anderen Gefühlen zeigen, suchen jedoch nicht nach Gott, streben nicht nach Erkenntnis der Absoluten Wahrheit. Deshalb wird ihr Bewußtsein beschränkt genannt.
3. Bedingte Seelen in menschlichen Körpern zeigen drei Stadien von Bewußtsein: knospendes, erblühendes und voll erblühtes Bewußtsein. In dieser Hinsicht unterscheiden die Schriften fünf Arten von Menschen: (1) unmoralische Leute, (2) Atheisten, die moralischen Prinzipien folgen, (3) Leute, die an Gott glauben und moralischen Prinzipien folgen, (4) Personen, die sich im praktischen hingebungsvollen Dienst zu Gott (sadhana-bhakti) beschäftigen und (5) Personen, die sich im liebenden hingebungsvollen Dienst (bhava-bhakti) beschäftigen. Unmoralische Leute und Atheisten, die moralischen Prinzipien folgen, sind im Stadium knospenden Bewußtseins situiert.
4. Menschen, die an Gott glauben und moralischen Prinzipien folgen und Menschen, die sich im praktischen hingebungsvollen Dienst zu Gott beschäftigen, befinden sich im Stadium erblühenden Bewußtseins.
5. Menschen, die sich im liebenden hingebungsvollen Dienst zu Gott beschäftigen, sind im voll erblühten Bewußtsein situiert.
Materie oder der materielle Körper bestehend aus 24 Elementen ist eine Bedeckung der spirituellen Seele, genauso wie verschiedene Kleider verschiedene Bedeckungen des Körpers sind. Wenn ich heute ein blaues Hemd trage und morgen ein grünes, bedeutet dies nicht, daß ich ein anderes Bewußtsein angenommen habe. Genauso bleibt das ursprüngliche Bewußtsein des Lebewesens unverändert, ganz gleich in welchem Körper atman gerade haust.
Aus spiritueller Sicht gleicht das materielle Dasein einem Traum. Ich mag mich im Traum als ein König oder Bettler oder irgendetwas anderes sehen, das ich im Tag-Bewußtsein nicht bin. Genauso identifiziert sich die spirituelle Seele mit ihrer jeweiligen Bedeckung, dem materiellen Körper, und denkt "ich bin ein Mann, eine Frau; ein Mensch, ein Pferd, ein Hund, eine Katze; ich bin Deutscher, Amerikaner; Hindu, Moslem; ich bin schön, häßlich, weise, dumm" etc., obwohl sie im Grunde nichts mit diesen Designationen zu tun hat. Solange die spirituelle Seele materielle Wünsche hegt, ist sie in einem Traum gefangen und erlebt immer wieder Geburt, Alter, Krankheit und Tod. Der Traum des materiellen Daseins endet, wenn das Lebewesen zu seiner ursprünglichem Natur, zu seinem ursprünglichen Bewußtsein, erwacht und das ist nur in der menschlichen Lebensform möglich. Ein intelligenter Mensch sollte diese Möglichkeit nutzen. Wenn er es nicht tut und sich durch seine Handlungen degradiert, kann es sein, daß jivatman in 8.400.000 Lebensformen wiedergeboren werden muß, bevor er wieder in einer menschlichen Lebensform die Möglichkeit erhält, sich dem Höchsten Herrn zuzuwenden und dem Kreislauf von Geburt und Tod (samsara) zu entrinnen.
Materielles Bewußtsein, in welchem sich die spirituelle Seele mit ihrem jeweiligen Körper identifiziert und die Wünsche auf Sinnenbefriedigung gerichtet sind, ist eine Verrückung vom ursprünglichen spirituellen Bewußtsein. Im spirituellen Bewußtsein sind die Wünsche des Lebewesens auf das Erfreuen des Höchsten Herrn, Narayana oder Krsna, gerichtet und es erfährt ständig wachsende Glückseligkeit im liebevollen Dienst zu Krsna. Freude oder Glückseligkeit wird im materiellen Bewußtsein nur bedingt erfahren als zeitweilige Abwesenheit von Leid in verschiedenen materiellen Umständen. Deshalb sind die meisten Leute der Ansicht, daß es keine ständig wachsende Freude geben kann und daß Freude nur in Beziehung zu Leid erfahren werden kann. Für Freude im materiellen Bewußtsein ist diese Ansicht korrekt, nicht aber für Freude im spirituellen Bewußtsein. Aus materieller Sicht ist ständig wachsende Glückseligkeit nicht vorstellbar.
Ständig wachsende Glückseligkeit, die unabhängig ist von Lebensumständen und materiellen Bedingungen, kann man auch schon in diesem Leben erfahren, wenn das Bewußtsein unverrückbar auf den Höchsten Herrn fixiert ist. In vielen vedischen Schriften werden Heilige, ihr Leben und ihre Eigenschaften, Verhalten usw. beschrieben, die auf die spirituelle Bewußtseinsebene gelangt sind und man kann auch heute - wenn man vom Glück begünstigt ist - Menschen treffen, die auf der spirituellen Bewußtseinsebene (brahma-bhuta) verankert sind. Groben Materialisten erscheint deren Verhalten verrückt, während aus spiritueller Sicht das Verhalten der Materialisten verrückt ist.
Zum Schluß dieses Themas noch ein Wort zum Nutzen der Technik für Entwicklung von spirituellem Bewußtsein: Technische Errungenschaften basieren auf Erfindungen von Materialisten, da Transzendentalisten, die nach den Anleitungen der vedischen Schriften über den Höchsten Herrn meditieren, keine materiellen Wünsche für Verbesserung ihrer Lebensumstände haben und mit einem Minimum an sog. Lebensstandard zufrieden sind. Aber - und das ist ein wichtiger Punkt - technische Geräte können für spirituellen Fortschritt im liebevollen Dienst zum Höchsten Herrn verwendet werden.
Es geht im spirituellen Bewußtsein nicht darum, zwischen materiellen Dingen und spirituellen Dingen zu unterscheiden, sondern darum alles in den Dienst des Höchsten zu stellen. Die ganze materielle Welt ist eine Manifestation der materiellen Energie des Höchsten Herrn und da die Energie nicht verschieden ist von ihrem Ursprung, ist die materielle Welt nicht verschieden vom Höchsten. Acintya bhedabheda tattva - der Höchste Herr ist eins mit allem und dennoch verschieden von allem. Ob ein Ding materiell oder spirituell ist, hängt von der Anwendung des Dinges ab. Wenn ich z.B. einen MP3-Player benutze, um mir während einer Zugfahrt Schlager und Pop-Musik, etc. anzuhören, ist der MP3-Player und seine Benutzung materiell und wenn ich mit dem gleichen MP3-Player spirituelle Klangschwingungen (krsna-kirtan, Vertonungen von Bhagavad-gita, Srimad-Bhagavatam etc.) höre, ist dieses Gerät und seine Nutzung spirituell.
Schöpfung und Vernichtung der materiellen Welt
In den Veda-s wird der Hergang der Schöpfung und die Be-völkerung des Universums in verschiedener Weise beschrieben. Wir wollen uns hier mit einer einfachen Beschreibung begnügen. Die Erschaffung der materiellen Welt ist kein einmaliger Vorgang; Schöpfung und Vernichtung sind ewig und wiederholen sich zyklisch. Man kann die Schöpfung unterteilen in die Manifestation der materiellen Elemente und die Schöpfung Brahmas.
Die Manifestation der materiellen Elemente
Der Höchste Herr in Seiner Erweiterung als Maha-Visnu manifestiert zuerst aus Seiner maya-shakti ("Schattenenergie") pradhana (die drei gunas sattva, rajas, tamas im unmanifestierten Zustand). Daraus gehen - angeregt durch den Zeitfaktor (der Blick des Herrn) - die drei gunas (Erscheinungsweisen der materiellen Natur - sattva, rajas, tamas) und dann das mahat-tattva, die unmanifestierte Gesamtheit der materiellen Elemente, hervor. Daraus werden die 24 Elemente des Körpers und des Universums als Umwandlungen erzeugt: ahankara (das falsche Ego, aus dem die materiellen Bestandteile, materielles Wissen und materielle Tätigkeiten hervorgehen), manas (Geist), buddhi (Intelligenz), avyakta (der unmanifestierte Zustand von prakrti, der materiellen Natur), die 5 tanmatras (Sinnesobjekte), die 5 wissenserwerbenden Sinne, die 5 Arbeitssinne und die 5 mahabhutas (großen Elemente - Raum, Luft, Feuer, Wasser, Erde). Als erstes wird ahankara manifestiert. Aus dem falschen Ego in tamo-guna gehen die 5 mahabhutas hervor; aus dem falschen Ego in rajo-guna gehen die 5 Sinne mit ihren 5 Objekten (Klang, Berührung, Form, Geschmack, Geruch) einer nach dem anderen und buddhi hervor und aus dem ahankara in sattva-guna gehen manas und die Halbgötter hervor.
Da diese Elemente getrennt unfähig waren, das materielle Universum zu erzeugen, verbanden sie sich mit Hilfe der Energie des Höchsten Herrn (personifiziert durch die Göttin Kali) und brachten ein goldenes Ei hervor. In der Manu-samhita heißt es, daß der auf dem Wasser (dem Ozean der Ursachen) ruhende Herr (Maha-Visnu; Narayana) seinen Samen in das Wasser gab und daß aus diesem Samen ein goldenes Ei hervorging. Anders ausgedrückt bedeutet dies, daß der Herr das mahat-tattva durch seinen Blick mit den Lebewesen, den spirituellen Seelen, die nach einer Vernichtung der Welt in ihren feinstofflichen Körpern in ihn eingegangen sind, befruchtet und daß aus dieser Verbindung von materieller und spiritueller Energie in der Folge sich allmählich Universen manifestieren. Der Herr ging dann als Garbhodakasayi Visnu in dieses Ei ein und legte sich dort auf dem Garbhodaka-Ozean, der dieses Ei bis zur Hälfte füllt, auf Ananta-Sesa, seinem Schlangenbett, nieder. Dann sproß aus seinem Nabel ein Lotos, der das Behältnis aller Lebewesen ist und aus dem Lotos trat als erstes Lebewesen der mächtige Brahma, der auch Svayambhuva (der Selbstgeborene) genannt wird, in Erscheinung.
Die Schöpfung Brahmas
Brahma konnte nichts sehen und wußte nicht, wer er war und wo er sich befand. Er suchte überall im Lotus in allen Richtungen nach seinem Ursprung, doch fand er ihn nicht. Dann gab er seine Suche auf und richtete seinen Geist auf den Höchsten Herrn, bis er ihn schließlich im Innern seines Herzens auf dem Leib Sesa-nagas ruhend erkennen konnte und ihm alles sichtbar wurde. Diese Szene und die Gebete, die der Selbstgeborene dem Herrn daraufhin darbrachte, werden im Bhagavatam beschrieben. Nachdem er vom Herrn gesegnet und unterwiesen worden war, wie das Universum zu erschaffen sei, führte er einhundert himmlische Jahre (eine für uns unvorstellbar lange Zeit) lang tapasya aus (tapasya oder tapas bedeutet spirituelle Disziplin), indem er sich durch Meditation im Dienste des Herrn beschäftigte. Gereift im Wissen sah Brahma, daß der Lotos, auf dem er sich befand, im ganzen Universum verbreitet war und er begann, ihn in drei Einteilungen von Welten zu gliedern -- die untere, mittlere und obere Welt. Zur unteren Welt gehören die höllischen Planeten, zur mittleren die Erde und zur oberen die himmlischen Planeten. Der höchste Planet, der die Residenz Brahmas ist, wird Satyloka oder Brahmaloka genannt, dann folgen Tapoloka, Janaloka, Maharloka und Dhruvaloka, Saturn, Jupiter, Mars, Merkur, Venus, Mond, Sonne, Rahu, die Planeten der siddha-s, carana-s, yaksa-s, raksasa-s, die Erde, himmlische Planeten unterhalb der Erde wie Atala, Vitala, Sutala etc., Pitrloka und schließlich 28 höllische Planeten angefangen mit Tamisra, wo sündhafte Menschen nach ihrem Tod bestraft werden.
Dann schuf Brahma aus seinem Geist und seinem Körper die unbeweglichen Lebewesen (Bäume etc.), die niederen Lebensformen (Insekten, Reptilien, Vögel, Säugetiere etc.), die deva-s und die Menschen. Die Schöpfung der deva-s ist von achtfacher Art: (1) Halbgötter, (2) pitr-s, (3) asura-s, (4) gandharva-s und apsaras, (5) yaksa-s und raksasa-s, (6) siddha-s, carana-s und vidyadhara-s, (7) bhuta-s, preta-s und pisaca-s und (8) kinnara-s und andere übermenschliche Wesen.[1]
Bevor der Selbstgeborene die Schöpfung der Lebewesen vornahm, erschuf er aus seinem Schatten ihre Lebensbedingungen, die Bedeckungen der Unwissenheit, die im Sanskrit andhatamisra (Furcht vor dem Tod, weil man glaubt, daß mit dem Tod alles vorbei ist), tamisra (Zorn nach Enttäuschung), maha-moha (falsches Besitzdenken), moha (Illusion), tamas (Dunkelheit im Wissen vom Selbst) und ajñana (Unwissenheit) oder avidya genannt werden. Dies ist ein interessanter philosophischer Punkt. Bhaktivedanta Swami Prabhupada macht dazu in seiner Übersetzung des Srimad-Bhagavatam folgende Bemerkungen:
"Solange eine lebendige Seele ihre wirkliche Identität nicht vergißt, ist es unmöglich, daß sie unter den materiellen Lebensbedingungen existieren muß. Die erste Bedingung des materiellen Daseins ist daher das Vergessen der eigenen wirklichen Identität. Und wenn man seine wirkliche Identität vergessen hat, ist es sicher, daß man sich vor dem Tod fürchtet, obwohl eine reine, lebendige Seele weder Geburt noch Tod kennt. Diese falsche Identifizierung mit der materiellen Natur ist die Ursache falschen Besitztums von Dingen, die durch die Vorkehrung einer höheren Macht angeboten werden. Durch falsche Identifizierung jedoch wird die bedingte Seele von dem falschen Gefühl gefangen, das Eigentum des Höchsten Herrn zu besitzen ....."
".....Fast alle bedingten Seelen, die in der materiellen Welt schmachten, mißbrauchen ihre Unabhängigkeit, und daher werden ihnen fünf Arten von Unkenntnis auferlegt. Als gehorsamer Diener des Herrn erschafft Brahma all diese Dinge als eine Sache der Notwendigkeit, doch ist er hierbei nicht glücklich, denn ein Gottgeweihter sieht es natürlich nicht gern, wenn jemand von seiner wirklichen Stellung abweicht und zu Fall kommt. Menschen, die sich um den Pfad der Erkenntnis nicht kümmern, bekommen vom Herrn alle Möglichkeiten, ihren Neigungen in vollstem Ausmaß nachzugehen, und Brahma hilft hierbei ohne Fehl."
Der verehrenswerte Brahma schuf zu Beginn vier große Weise namens Sananda, Sanaka, Sanatana und Sanat-kumara. Als diese nicht gewillt waren, Nachkommenschaft zu zeugen und das Universum zu bevölkern, wurde Brahma zornig. Der Zorn trat aus seiner Stirn hervor und erzeugte Rudra. Diese Inkarnation des Zornes zerstört am Ende von Brahmas Leben das gesamte Universum. Nach Rudra schuf der Selbstgeborene zehn Weise -- aus seinem Atem Vasistha, aus seinem Daumen Daksa, aus seiner Überlegung Narada, aus seinem Tastsinn Bhrgu, aus seinem Mund Angira, aus seinen Augen Atri, aus seinen Ohren Pulastya, aus seiner Hand Kratu, aus seinem Geist Marici und aus seinem Nabel Pulaha. Aus seiner Brust manifestierte sich Religion, aus seinem Rücken Irreligion, aus seinem Herzen Lust und Begierde, aus seinem Mund Sprache, aus seinem Penis der Ozean und aus seinem Anus niedere und abscheuliche Tätigkeiten. Trotz Brahmas Macht, ging es nicht immer glatt zu in seiner Schöpfertätigkeit, wie überhaupt im materiellen Dasein niemals alles so läuft, wie man es sich vorstellt. Doch darüber wollen wir hier nicht berichten.
Eines Tages, als Brahma in tiefes Nachdenken versunken war und sich darüber wunderte, daß das Universum noch immer nicht genügend bevölkert war, wurden aus seinem Körper zwei menschliche Formen erzeugt, eine männliche und eine weibliche, die sich augenblicklich sexuell vereinigten. Die männliche Form wurde als Svayambhuva und die weibliche als Satarupa bekannt. Mit ihnen beginnt die Geschichte der Menschheit, sie sind die Urahnen der Menschen. Sie zeugten zwei Söhne -- Uttanapada und Priyavrata -- und drei Töchter namens Akuti, Devahuti und Prasuti, die mit Ruci, Kardama bzw. Daksa verheiratet wurden und im Laufe der Zeit zahllose Nachkommen hervorbrachten. Svayambhuva ist ein Manu, ein avatara, der für das Wohl des Universums sorgt.[2] Nachdem Manu eine lange Zeit regiert hatte, zog er sich in den Wald zurück und übergab sein Amt Priyavrata. Priyavratas Nachfolger wurde Agnidhra, Agnidhra folgte Nabhi, dessen Nachfolger wurde Rsabha, eine Inkarnation des Herrn, und Rsabhas Nachfolger wurde Bharata, nach welchem später die Erde benannt wurde (bharata-varsa).
Im Laufe eines Tages Brahmas erscheinen 14 Manus, von denen jeder 71 - 72 caturyuga-s die Welt regiert. Ein Tag Brahmas währt tausend caturyuga-s (ein caturyuga - aus vier Zeitaltern bestehender Zyklus - währt 4.320.000 Jahre). Brahmas Nacht dauert ebenso lang. In dieser Zeit ist das Universum bis hinauf nach Satyaloka zerstört und unbewohnbar. Brahma lebt einhundert Jahre nach dieser Zeitrechnung, das sind 1000*365*100 caturyuga-s. Wenn man diese Zahl mit 4.320.000 multipliziert, erhält man die Dauer des Universums nach menschlicher Zeitrechnung.
Die Abbildung links veranschaulicht die Schöpfung der materiellen Elemente in drei Kategorien: jnana-sakti, kriya-sakti, dravya-sakti (materielles Wissen, Tätigkeiten, Materie). Jnana-sakti ist die Kraft, durch die aus dem selbstzentrierten Ego in satta-guna manas und zehn devas, die im Universum und im Körper der Lebewesen Bewegungen etc. beherrschen, hervorgehen. Kriya-sakti ist die Kraft, durch die aus dem Ego in rajo-guna die zehn Sinne und buddhi (Intelligenz) hervorgehen und dravya-sakti ist die Kraft, durch die aus dem ahankara in tamo-guna die 5 mahabhutas (Elemente) mit ihren 5 Haupteigenschaften, die die Sinnesobjekte bilden, hervorgehen.
Die 24 Elemente (5 materielle Elemente, 5 Sinnesobjekte, 5 wissenserwerbende Sinne, 5 Arbeitssinne, Geist, Intelligenz, ahankara und avyakta oder mahat-tattva) bilden die Bestandteile, aus denen Brahma die Körper der Lebewesen und andere Dinge im Universum erschafft.
Auflösung des Universums
Die vedischen Schriften unterscheiden vier Arten von Auflösungen: 1. kontinuierliche (Auflösung der Körper der Lebewesen), 2. gelegentliche (Auflösung des Universums nach einem Tag in Brahmas Leben), 3. elementare (Auflösung der Elemente nach Brahmas 100 Jahren) und 4. endgültige Auflösung (Befreiung der Seele aus dem Kreislauf von Geburt und Tod und Eingehen in das ewige spirituelle Reich Gottes). Nach jedem Tag Brahmas findet eine Teilauflösung des Universums statt. Dann sind alle Planeten unterhalb Brahmalokas (dem Reich Brahmas) nicht existent. Wenn Brahmas Lebensspanne abgelaufen ist, wird das ganze Universum aufgelöst; die 24 Elemente gehen wieder in ihren Urzustand ein und die spirituellen Seelen ruhen in Maha-Visnu, bis sie bei der nächsten Schöpfung wieder in einen neuen Körper versetzt werden und im Rad des Lebens von Körper zu Körper wandern.
Die Auflösung des Universums erfolgt in umgekehrter Reihenfolge wie seine Schöpfung: Das gröbste Element - Erde - geht, seiner Eigenschaften verlustig, in das Element Wasser ein, Wasser geht in Feuer ein, Feuer in Luft, Luft in Raum und Raum in das falsche Ego in tamo-guna. Das falsche Ego in rajo-guna absorbiert die Sinne und ahankara in sattva-guna absorbiert die Halbgötter. Dann löst sich das falsche Ego im mahat-tattva auf, mahat-tattva in den drei gunas und die drei gunas im pradhana. Pradhana ist die Ursubstanz und Grundlage der materiellen Schöpfung. Es ist ohne Eigenschaften und deshalb unbeschreibbar. Pradhana wird schließlich von Maha-Visnu absorbiert.
"Wie Wolken am Himmel erscheinen und dann zerstreut werden durch Auflösung ihrer konstituierenden Elemente, so wird das materielle Universum erschaffen und zerstört durch Manifestation und Auflösung seiner elementaren Bestandteile in der Absoluten Wahrheit.
O König, es heißt im Vedanta-sutra, daß die einem manifestierten Produkt innewohnende Ursache als getrennte Realität gesehen werden kann, genauso wie Fäden, aus denen ein Tuch gewebt wurde, getrennt vom Tuch gesehen werden können." (Srimad-Bhagavatam 12.4.26-27)
"Es gibt keine materielle Dualität in der Absoluten Wahrheit. Die Dualität, die eine unwissende Person wahrnimmt, ist wie der Unterschied zwischen dem Raum in einem Topf und dem Raum außerhalb des Topfs, oder wie der Unterschied zwischen der Reflektion der Sonne in einem Gewässer und der Sonne selbst, oder wie der Unterschied zwischen der Lebensluft in einem Lebewesen und der Lebensluft in einem anderen Lebewesen.
Entsprechend verschiedenen Zwecken benutzen Menschen Gold in verschiedener Weise und deshalb wird Gold in verschiedenen Formen wahrgenommen. In ähnlicher Weise wird die Höchste Persönlichkeit Gottes, die materiellen Sinnen unzugänglich ist, von verschiedenen Arten von Menschen auf verschiedene Weise beschrieben.
Obwohl eine Wolke ein Produkt der Sonne ist und durch die Sonne sichtbar gemacht ist, schafft sie Dunkelheit für das betrachtende Auge, das eine andere Teilerweiterung der Sonne ist. In ähnlicher Weise behindert das falsche Ego, das ein spezifisches Produkt der Absoluten Wahrheit ist - sichtbar gemacht durch die Absolute Wahrheit -, die individuelle Seele, die ein andere Teilerweiterung der Absoluten Wahrheit ist, am Verwirklichen der Absoluten Wahrheit.
Wenn die Wolke, ursprünglich erzeugt durch die Sonne, zerstreut ist, kann das Auge die eigentliche Form der Sonne sehen. In ähnlicher Weise erlangt die spirituelle Seele ihre ursprüngliche Bewußtheit, wenn sie ihre materielle Bedeckung des falschen Egos durch transzendentales Wissen zerstört.
Mein lieber Pariksit, wenn das illusorische falsche Ego, das die Seele bindet, mit dem Schwert unterscheidenden Wissens zerstört ist und man Verwirklichung Acyutas, der Höchsten Seele, erlangt hat, wird dies atyantika oder endgültige Auflösung der materiellen Existenz genannt."