24.06.2012, 09:51
Der Schlaf
im Wandel der Zeit
im Wandel der Zeit
»Es sieht so aus,
als hätte die Welt auch uns Erwachsene nicht ganz,
nur zu zwei Dritteilen;
zu einem Drittel sind wir überhaupt noch ungeboren.
Jedes Erwachen am Morgen
ist dann wie eine neue Geburt. «
als hätte die Welt auch uns Erwachsene nicht ganz,
nur zu zwei Dritteilen;
zu einem Drittel sind wir überhaupt noch ungeboren.
Jedes Erwachen am Morgen
ist dann wie eine neue Geburt. «
Wenn wir abends zu Bett gehen, geraten wir in einen veränderten Bewusstseins Zustand, der einige
Stunden andauert. Wir sehen, hören und fühlen dabei nicht mehr bewusst, was um uns herum vorgeht.
Diesen Zustand nennen wir Schlaf. Die Welt des Schlafens und die Welt des Wachens sind so
verschieden, dass man sagen könnte, jeder von uns lebe in zwei Welten. Der Unterschied zeigt sich
besonders eindrücklich, wenn wir nachts plötzlich aus dem Schlaf erwachen und dann eine Zeitlang noch
nicht ganz bei uns sind. Der französische Dichter Marcel Proust schildert diesen Übergang besonders
schön:
Aber es genügte, dass in meinem eigenen Bett mein Schlaf besonders tief war und meinen Geist völlig
entspannte; dann ließ dieser den Lageplan des Ortes fahren, an dem ich eingeschlafen war, und wenn ich
mitten in der Nacht erwachte, wusste ich nicht, wo ich war: ich hatte nur in primitivster Form das bloße
Seinsgefühl, das ein Tier im Innern verspüren mag: ich war hilfloser ausgesetzt als ein Höhlenmensch;
dann aber kam mir die Erinnerung - noch nicht an den Ort, an dem ich mich befand, aber an einige
andere Stätten, die ich bewohnt hatte und an denen ich hätte sein können - gleichsam von oben her zu
Hilfe, um mich aus dem Nichts zu ziehen, aus dem ich mir selbst nicht hätte heraushelfen können; in einer Sekunde durchlief ich Jahrhunderte der Zivilisation, und aus vagen Bildern von Petroleumlampen
und Hemden mit offenen Kragen setzte sich allmählich mein Ich in seinen originalen Zügen wieder von
neuem zusammen. Für die meisten Menschen ist der Schlaf so selbstverständlich, dass sie über seine Entstehung und seinen Sinn kaum nachdenken.
Erst wenn er gestört ist, rückt der Schlaf ins Bewusstsein und wird zum
»Problem«. Die Absicht dieses Buches ist es zu zeigen, dass der Schlaf in neuester Zeit als einer der
grundlegenden Lebensvorgänge auch für die Wissenschaft immer interessanter geworden ist, und dass auf
Grund neuer Erkenntnisse Antworten auf Fragen in Aussicht stehen, die die Menschen seit Jahrhunderten
beschäftigt haben. Das Buch soll auch einen Eindruck davon vermitteln, mit wie vielen verschiedenen
Wissensgebieten die Schlafforschung in Zusammenhang steht. Es gibt kaum einen anderen Zweig der
modernen Naturwissenschaft, der in vergleichbarem Ausmaß sowohl für die Grundlagenforschung als
auch unmittelbar für das Alltagsleben von Bedeutung ist und für den überdies noch jedermann, aufgrund
eigener, langjähriger Erfahrung, gewissermaßen ein Spezialist ist.